Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
Vom Netzwerk:
Mühlböcks wegfahrendem Auto und nahm bestürzt wahr, dass sie mit dem, was sie ihm gesagt hatte, einen anderen Teil an Wahrheit preisgegeben hatte.
    Wenig später lag sie im Bett und starrte an die Decke des Schlafzimmers, bis die Vögel lautstark den nahenden Morgen ankündigten. Danach fiel sie in einen leichten, fahrigen Schlaf, aus dem sie jedes Mal hochfuhr, wenn die Katze sich bewegte.

18
    »Ich weiß nicht, was Sie von mir wolln«, meinte Hofmacher. »Sie schicken mir irgendwelche Leut, die mit Wattestäbchen in mein Mund herumstochern, und dann kommen S’ her und stellen mir Fragen über meinen Großvater und von an Poln, der vor Wochen da war.«
    »Genau.« Liebhart nickte. »Und was ist jetzt mit den Antworten?«
    Hofmacher hatte Liebhart und Rosa nicht angeboten, sich zu setzen, und so standen sie vor dem niedrigen Tisch, an dem er saß und der mit einem ausgeblichenen Wachstuch bedeckt war. Er hatte einen Teller mit fetter Sulz vor sich stehen, das Fleisch schwamm in Öl und war mit rohen Zwiebeln belegt. Rosa konnte den Blick nicht von dem Teller losreißen. Ich könnte das um acht Uhr morgens nicht essen, dachte sie. Sie spürte, wie ihr langsam schlecht wurde.
    Hofmachers tief liegende Schweinsaugen würdigten Liebhart und sie keines Blickes, sie starrten die Sulz auf dem Teller vor ihm an. Um seinen fleischigen Nasenrücken spann sich ein Sattel aus fettiger Haut. Das bunte Muster des Tellers schien sich darin zu spiegeln.
    Sie sah über die wuchernden Weinreben, schmutzige Plastikbehälter stapelten sich an einer der Mauern des kleinen Weingartenhauses. Die Eingangstür hing nur noch an einer Angel, alles wirkte verwahrlost. Ein alter Hund schlief träge im Schatten des Volvos, der in der Einfahrt stand.
    »Ich weiß nix über meinen Großvater. Er hat meinem Vater alles vermacht und ist, kurz nachdem er ausm Krieg heimkommen ist, gestorben.«
    »Vielleicht mit vierunddreißig anderen Bewohnern aus dem Dorf?« Rosa atmete tief ein und versuchte, nicht auf das fette Fleisch auf dem Teller zu starren.
    Hofmacher zuckte ein wenig zusammen. »Keine Ahnung, was Sie meinen. Er hat an Unfall ghabt, ist von einer Bierkutsche überfahren worden.«
    »Wir werden das überprüfen«, meinte Liebhart.
    Hofmacher winkte ab und stocherte auf seinem Teller herum. Er sah nicht einmal auf, als sich Liebhart und Rosa verabschiedeten.
    »Komisch, dass ich mir von dem Verhör gar nicht mehr erwartet hatte«, meinte Liebhart zynisch, als er mit Rosa wieder im Wagen saß.
    »Mich wundert’s auch nicht mehr. Ich bin zu müde, und die Hitze setzt mir zu«, raunzte Rosa. Sie war noch nicht dazu gekommen, Liebhart von Daniel Mühlböck zu erzählen.
    Als sie dazu ansetzen wollte, deutete Liebhart auf den Laden der Krautfrau, an dem sie gerade vorbeifuhren. »Ich werde Magda etwas von dem eingelegten Gemüse mitbringen, kommst du mit?«
    Rosa nickte träge, sie erinnerte sich, dass Johanna und Ludwig nichts von ihren Vorräten übrig gelassen hatten. Im Laden standen diesmal nur drei Frauen. Frau Tobler schöpfte hinter der Verkaufstheke gefüllte Paprika aus großen Behältern in Plastiksäckchen.
    Während Liebhart und Rosa warteten, meinte sie zu ihm: »Ich werde morgen noch einmal auf den Leopoldsberg gehen. Vielleicht hab ich ja eine Eingebung, warum man die Leute gerade an dieser Stelle im Hang vergraben hat. Vielleicht schau ich auch noch einmal bei Pfarrer Mullner vorbei.«
    »Der Nasenweg von der Leopoldskirche weg ist schon freigegeben, der untere Teil des Weges allerdings noch gesperrt. Willst du dir das wirklich antun bei der Hitze?«
    »Ich muss mir nur eine richtige Jause mitnehmen, dann schaff ich das schon.«
    Liebhart sah sich im mittlerweile leeren Geschäft um. »Wie geht es dir mit dem botanischen Atlas?«, fragte er sie.
    »Ich bin durch, kann aber nicht verstehen, warum Andrzej ihn sich hat schicken lassen. Es sind ausschließlich Pflanzen, die hier in der Region wachsen, abgebildet. Die einzige Auffälligkeit besteht darin, dass es sich hauptsächlich um giftige Pflanzen handelt.« Sie wandte sich der Krautfrau zu. »Bitte ein Glas von den mit Ziegenkäse gefüllten Paprika, aber ein kleines. Kann man besser im Rucksack mitnehmen.«
    Frau Tobler musste ins Lager, um von dort ein paar Gläser zu holen.
    Nachdem sie bezahlt hatten, verließen sie den Laden.
    Als sie wieder im Auto saßen und durch die engen Gassen fuhren, meinte Liebhart: »Der Justizminister sitzt mir im Nacken. Alle im Ministerium

Weitere Kostenlose Bücher