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Wiener Schweigen

Wiener Schweigen

Titel: Wiener Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Strohschein
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Dominosteine umfallen ließ und sie endlich zu dem Mörder führen würde. Sie dachte an Johanna und mit welcher Leichtigkeit sie Dinge, die sich in ihrem Kopf zu einem undurchdringlichen Dickicht zu verfilzen drohten, einfach liegen ließ, um dann so lange zu warten, bis sich eine andere Tür auftat. Johanna hatte Vertrauen in ihre Welt, sie wusste, dass es immer eine Tür gab. Rosa war zu ungeduldig, sie war immer zu ungeduldig gewesen und hatte dafür vor einem Dreivierteljahr einen hohen Preis gezahlt.
    Liebhart und Schurrauer traten zu ihr.
    »Der Mörder hatte vermutlich Sorge, dass Pfarrer Mullner etwas ausplaudern könnte. Aber wieso hat er ihn erst jetzt umgebracht? Es ist schon Wochen her, dass Zieliński bei ihm war. Abgesehen davon ist er tot, dem konnte er also nichts mehr verraten«, meinte Liebhart.
    »Dem nicht mehr, aber der Polizei«, gab Schurrauer zu bedenken.
    »Der Mörder wusste mit Sicherheit, dass wir bei Pfarrer Mullner gewesen sind. Das ganze Dorf hat das gewusst. In so einem kleinen Ort kannst du dich nicht einmal in deiner Küche schnäuzen, ohne dass es alle wissen.« Rosa verschränkte die Arme vor der Brust.
    Liebhart zog die beiden weiter von den Einheimischen weg. »Als wir damals beim Pfarrer waren, habe ich sonst niemanden im Haus gesehen. Trotzdem hat er nicht offen gesprochen. Also entweder war doch jemand da, oder Pfarrer Mullner hatte Sorge, dass er beobachtet wurde, und wollte uns das Blatt aus dem Kontobuch so unauffällig wie möglich geben.«
    »Aber irgendetwas ist noch in der Pfarre gewesen, oder zumindest vermutete der Mörder, dass dort etwas war. Sonst hätte er ja nur den Pfarrer umgebracht und nicht gleich das ganze Haus abgefackelt.« Schurrauer wischte sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn.
    Angespannt biss Rosa die Zähne zusammen. Sie massierte ihre Schulter, während sie den Blick über den Hafen schweifen ließ. Die feuchte Hitze, die vom Wasser aufstieg, trug auch nicht gerade dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Die Luft am Horizont flimmerte ölig.
    »Warten wir, was die Obduktion ergibt«, meinte Liebhart und eilte zum Brandplatz zurück.
    Als Rosa nach Hause kam, stand Johanna bei ihr in der Küche. Das Radio lief leise, und sie knetete Mürbteig, wahrscheinlich um ihren berühmten Marillenkuchen zuzubereiten. Der süße Duft der mürben, kinderfaustgroßen Marillen lag schwer in der Luft. Rosa setzte sich auf die Arbeitsplatte neben Johanna. Sie sah auf die Terrasse und betrachtete, wie die dichten Efeublätter das Licht grün färbten.
    »Ich gehe morgen auf den Leopoldsberg und schau mir noch einmal den Hang an«, sagte Rosa zu Johanna und steckte sich eine geviertelte Marille in den Mund. »Kommst du mit?«
    »Niemals, Süße! Bei der Hitze lege ich mich an den Sellnersee und lasse, vollkommen teilnahmslos, Ludwigs Ausführungen über die Bedeutung des Banjospielens bei der Zucht von Süßwasserkrebsen über mich ergehen. Willst du nicht lieber mitkommen? Yvonne wird auch da sein, und wir wollen ein Picknick machen.«
    »Ich komme gerne nach«, meinte Rosa, »aber ich möchte mich zuerst da oben noch ein wenig umsehen. Der ganze Fall setzt mir zu; ich will, dass er endlich gelöst wird.«
    Am Abend, nachdem Johanna gegangen war, rief Rosa Liebhart an, um sich zu erkundigen, was die Obduktion Pfarrer Mullners ergeben hatte.
    »Er ist durch einen Schlag mit einem stumpfen, runden Gegenstand aus Holz auf den Hinterkopf zuerst betäubt worden und schließlich in den Flammen umgekommen.«
    »Erschlagen wie Andrzej«, murmelte Rosa. »Glaubst du, dass er gelitten hat?«
    »Dr. Ahran meint, dass das nicht der Fall gewesen sei. Er war ohnmächtig und hat den Brand nicht mehr mitbekommen.«
    »Das hoffe ich sehr für ihn.«

19
    Rosa hatte erstaunlicherweise wie ein Stein geschlafen. Als sich die Dämmerung mit einem silbernen Streifen über den Hügeln ankündigte, wachte sie auf. Ihren Morgenkaffee trank sie auf dem Sofa, in eine leichte Sommerdecke eingewickelt. Die Gedankenflut hatte sich heute noch nicht eingestellt. Sie verspürte eine eigenartige Ruhe, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Sie dachte an Mühlböck und räumte die Möglichkeit ein, dass ihre Ehrlichkeit unter Umständen Ratlosigkeit bei ihm erzeugt haben könnte und er ihr Verhalten vielleicht doch nicht lächerlich fand.
    Um dieser ganzen Grübelei ein Ende zu bereiten, rufe ich ihn heute nach dem Ausflug an, beschloss sie und stand auf, um ein paar Brote

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