Wienerherz - Kriminalroman
sehen Sie, hier.«
Freund hatte mehrere Ausstellungen Weilers gesehen. Er war einer der bekanntesten Maler Österreichs in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen. Anfang des neuen Jahrtausends starb er hochbetagt.
»Ich war fasziniert, wäre am liebsten den ganzen Tag dabeigesessen, als er seine Skizzen machte. Das Bild selber malte er dann allerdings im Atelier.«
Freund zeigte auf das Schild am Rahmen des Ahnvaters.
»Was wissen Sie über diesen Maler?«
»Johann Pratt hat meinen Ururgroßvater gemalt. Zu seiner Zeit war er in Wien eine lokale Künstlergröße, mehr aber nicht. Heute ist er in Vergessenheit geraten. Seine kunstgeschichtliche Bedeutung ist vernachlässigbar.«
»Wissen Sie noch mehr über ihn? Hatte er Nachkommen?«
»Ziemlich sicher nicht. Ich habe mich mit allen Malern der Familienporträts genauer auseinandergesetzt. Pratt war nie verheiratet, und Briefe aus seinem Nachlass legen nahe, dass er homosexuell war. Aber warum wollen Sie das alles wissen?«
»Rudolf Komeskas Vater hieß genauso. Allerdings muss er später gelebt haben als der Maler.«
»Der Name scheint mir nicht gänzlich ungewöhnlich. Da hat es vielleicht mehrere gegeben.«
»Ein eigenartiger Zufall ist es aber schon, finden Sie nicht?«
Sie wollten ihren Weg fortsetzen, als Leopold mit seinen Eltern auf den Flur trat. Freund bemerkte die Blicke der Dorins auf sich, die nicht mehr mit seiner Anwesenheit gerechnet hatten.
Viktor erklärte ihnen ihre Entdeckung.
Vater Dorin fragte: »Mir erschließt sich nicht, was unsere Familiengeschichte mit Ihren Ermittlungen zu tun hat.«
»Würde das denn irgendetwas an der Situation ändern?«, fragte Annemarie Dorin. »Emil Komeska ist tot, Florian ist verschwunden, und ich muss das Schlimmste befürchten. Herr Chefinspektor, Sie entschuldigen mich, ich habe zu tun.«
Freund wollte ihr noch nicht sagen, dass sie auf eine Spur ihres Sohnes gestoßen waren. Er wollte keine falschen Hoffnungen wecken.
Auch Adalbert Dorin setzte zur Verabschiedung an, Freund kam ihm zuvor: »Herr Dorin, eine Frage noch.«
Ungeduldig funkelte der Patriarch ihn an.
»Was ist denn noch?«
»Angesichts der neuen Erkenntnisse …« Er wusste, dass er sich womöglich lächerlich machen würde, in den Augen Dorins ohnehin, aber er musste: »Als Ihr Sohn am Abend vor, wie wir jetzt wissen, nicht seinem, sondern Emil Komeskas Tod bei Ihnen war, sind Sie sicher, dass es sich dabei tatsächlich um Florian handelte?«
Dorin sah zu ihm hoch und schaffte tatsächlich, es so wirken zu lassen, als blicke er auf Freund herab. Durch die Nase blies er ein verächtliches Schnauben.
Freund wartete. Etwas wie »Glauben Sie, ich erkenne meinen Sohn nicht, wenn ich ihn vor mir habe?« konnte Dorin schlecht erwidern. Immerhin hatte er in der Gerichtsmedizin den Falschen identifiziert. Freund gefror innerlich.
Was, wenn Dorin schon dort erkannt hatte, dass es nicht Florian war? Noch einen Schritt weiter: Wenn er gewusst hatte, wer ihn dort erwartete?
Adalbert Dorin würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Statt etwas zu sagen, schüttelte er nur den Kopf, wie man es tut, wenn man jemandem zeigen möchte, wie tief man von ihm verletzt wurde.
Als habe er Freund vergessen, schnarrte er seinen aufmüpfigen Sohn an: »Ich billige dieses Herumwühlen in unserer Vergangenheit nicht.«
»Weshalb?«, fragte Tann-Dorin. »Weißt du etwas?«
»Nein. Und darum geht es nicht. Das ist alles lange her. Man soll die Toten ruhen lassen. Meine Empfehlung, Herr Chefinspektor.«
Er drehte sich um und ging. Sein Schritt hatte etwas Müdes. Freund hatte das Gefühl, dass Adalbert Dorin seinen Söhnen gegenüber nicht immer so nachgiebig gewesen war. Der – vermeintliche – Tod seines Erstgeborenen hatte etwas in ihm zerbrochen. Selbst die Nachricht, dass er vielleicht noch lebte, hatte das nicht mehr kitten können. Auch seine Söhne schienen es zu bemerken, wie Freund an den Blicken sah, mit denen sie dem abgehenden alten Mann nachschauten.
Ein Zeichen setzen
Petzold empfing Freund erneut mit der Aufnahme eines Gesprächs zwischen Josef Flada und Manuela Korn.
»Haben Sie eine Lösung gefunden?«
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich mich offiziellen Ansprüchen gern widmen werde. Bis dahin sind Ihre Bemühungen Zeitverschwendung.«
»Sie werden morgen also kein Geld bereithaben?«
»Auch das habe ich Ihnen schon erklärt. So schnell komme ich nicht dran, selbst wenn ich wollte.«
»Das werden meine
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