Wienerherz - Kriminalroman
etwas wie ein Grinsen auf dessen Gesicht.
»Was haben Sie erwartet? Einen Rolls-Royce mit Chauffeur? So etwas hat mein Vater.«
Er schwang sich auf den Sattel, so schmal, dass Freund allein vom Anschauen das Hinterteil schmerzte, wünschte ihm noch einen schönen Tag und strampelte davon, die Maßschuhe auf den kleinen Profipedalen, die Hände tief auf dem nach unten geschwungenen Renngriff, die Klappe seines Sakkos im Fahrtwind flatternd.
Den gesamten Weg zurück ins Büro bekam Freund dieses Bild nicht aus dem Kopf.
Diesmal rief der Pepe an.
»Ich höre, im Fall Dorin gibt es neue Entwicklungen?«
Welche meinte er: Pridlascheks Flucht oder Leopold Dorins Eröffnungen zu den finanziellen Verhältnissen seines Bruders?
»Ja.«
»Gibt es schon eine Spur von dem Kerl?«
Pridlaschek also.
»Noch nicht. Aber den finden wir.«
»Hat er etwas damit zu tun?«
»Werden wir sehen.«
»Den Leichnam können wir aber freigeben. Die Familie will ihren Sohn begraben.«
»Und wenn wir ihn noch brauchen?«
»Wozu? Obduziert wurde er.«
Freund hatte das Gefühl, dass der Selbstmord feststand, sobald Dorin unter der Erde lag. Als Nächstes würde der Pepe die Ermittlungen einstellen wollen. Was die Familie betraf, hatte er natürlich recht.
»Die Ermittlungen führe ich weiter. Bis wir diesen flüchtigen Ex-Freund haben.«
»Und dazu müssen Sie Joachim Thaler befragen?«
Daher also wehte der Wind!
»Er war der letzte offizielle Termin Dorins an dessen Todestag.«
»Ich hatte gehofft, dass die Sache ein schnelles Ende findet.«
»Ich auch.«
Nachdem er den halben Tag in Lokalen verbracht hatte, freute Freund sich geradezu auf seinen Schreibtisch. Der restliche Nachmittag verlief ereignislos. Dorins Geschichte spukte durch seinen Kopf. Ein weiterer Puzzlestein nach der positiven Schriftprobe des Abschiedsbriefs, der ins Bild der Selbsttötung passte. Blieb der flüchtige Pridlaschek. Er stammte aus der Steiermark, in Wien hatte er keine Verwandten. Sie baten die steirischen Kollegen, bei seinen Eltern und Geschwistern vorbeizuschauen. Falls er sich bei ihnen meldete, versprachen alle, dass sie ihn zur Zusammenarbeit mit der Polizei überreden wollten. Freund studierte Spaziers bisherige Erkenntnisse über Dorins Bekanntenkreis. Sie lasen sich wie ein Who’s who Österreichs. Ermittlungen in diesem Personenkreis hatten viel mit Holz zu tun, von Knüppeln zwischen den Beinen bis zu Hackeln im Kreuz. Freund wünschte sich, dass sich die Tat als Selbstmord entpuppte.
Er überflog die Liste von Dorins Hausbediensteter, auf der sie Dorins Damen aufgezählt hatte. Viele Vornamen, wenige Familiennamen. Über dreißig Personen. Gutes Gedächtnis hatte diese Bedienerin. Hoffentlich.
Die Frau des Schlossverwalters fiel ihm ein. Keine Nelly auf der Liste. Wovon war Nelly die Abkürzung? Cornelia? Er sah im Internet nach. Cornelia, Petronella, Helene, Eleonore, Elli, im Englischen auch von Elizabeth. Eine Conny stand auf der Liste. Und eine Helen. Doch Dorins Haushälterin würde die Namen wohl so geschrieben haben, wie sie diese gehört hatte. Wenn der Ehemann seine Frau Nelly nannte, würde sie der Liebhaber dann Conny rufen? Freund glaubte es nicht.
Hoffentlich mussten sie nicht alle diese Personen finden und überprüfen. Und die dazugehörigen Männer oder Freunde, so vorhanden. Wie viele Pridlascheks hatte Dorin noch zurückgelassen?
Gegen vier Uhr rief Canella an.
»Ich dachte, das willst du schnell wissen«, sagte Canella. »Schau in deine E-Mails, da siehst du es auch schwarz auf weiß. Die Fingerabdrücke von diesem Pridlaschek, der dir heute Morgen entwischt ist …«
»Der Typ ist Extremsportler. Gegen den hättest du auch keine Chance im Sprint!«
»Deshalb bin ich auch nicht bei der Mordkommission.«
»Was ist dir denn heute über die Leber gelaufen?«
»Willst du nun das Ergebnis oder nicht?«
Freund prüfte seinen E-Mail-Eingang. Die Nachricht von Canella war bereits eingetroffen.
»Wenn du so drauf bist«, sagte er, »dann nicht« und legte auf.
Wozu sollte er sich die Frotzeleien des Griesgrams gefallen lassen, wenn er in Ruhe den Bericht lesen konnte?
Der eindeutig war. Und auch nicht. Fingerabdrücke von den Rohren und ein paar typischen Gegenständen in Pridlascheks Wohnung – Zahnbürste, Kamm – fanden sich an dem Wagen, in dem Florian Dorin gefunden worden war. Umso mehr ärgerte sich Freund, dass ihm der Elektriker entkommen war. Aufmerksam las er die Ergebnisse von Canellas
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