Wienerherz - Kriminalroman
seinem Tod nicht zerfällt. In ihren Statuten kann man recht genaue und verbindliche Vorgaben zum Zweck einer Stiftung machen. In unserem Fall gehört dazu unter anderem, dass das Firmenvermögen nicht geteilt werden darf. Das heißt, wenn ein Unternehmen verkauft werden soll, muss die Stiftung zustimmen. Da meine Brüder und meine Eltern im Vorstand sitzen, braucht es ein einstimmiges Votum. Niemand von uns kann seine Anteile ohne Zustimmung der anderen an Familienfremde verkaufen.«
Er trank wieder einen Schluck, größer als beim ersten Mal. Wie viel Mut konnte man sich mit Mineralwasser antrinken?
»Anfang des Jahres 2009 kam Florian zu mir und bot mir seine Anteile an.«
Er wartete auf eine Reaktion Freunds. Dieser wusste nicht genau, was er mit der Information anfangen sollte. War das alles? Was wollte Dorin ihm damit sagen? Es gab schließlich verschiedene Gründe, warum man aus einer familiären Finanzgemeinschaft aussteigen wollte. Streitigkeiten, den Wunsch nach Unabhängigkeit, Geldnot.
»Hat er gesagt, warum?«
»Wir sind nicht immer einer Meinung über die strategische Ausrichtung. Florian hatte keine Lust mehr auf die Diskussionen. Behauptete er damals.«
»Sie haben es ihm nicht geglaubt.«
»Doch. Damals schon. Ich hätte die Anteile auch gern übernommen, aber gerade war die Finanzkrise an ihrem Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt angelangt. Auch wir hatten zu kämpfen.«
Freund fragte sich, was jemand, der Milliarden an Firmenvermögen und kolportiert ein paar hundert Millionen Privatvermögen besaß, unter »zu kämpfen haben« verstand.
»Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht die Möglichkeiten, Florian auszuzahlen. Er wurde sauer, warf mir vor, dass ich ihn schon aus der Firma gedrängt habe und jetzt auch noch sein Vermögen blockiere. Der klassische Fall, für den unser Vater mit der Stiftung vorgebaut hatte.«
Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr.
»Dann war für ein paar Monate Ruhe. Ende 2009 machte mir Florian erneut ein Angebot. Er verlangte deutlich weniger als beim ersten Mal. Ich muss gestehen, dass es verlockend war. Vielleicht wären wir zu einer Einigung gekommen, doch diesmal stellte sich unser Vater quer. Er fürchtete um seinen Einfluss. Bislang hatte jeder von uns – meine Eltern, meine Brüder und ich – jeweils fünfundzwanzig Prozent der Stimmrechte. Danach hätte ich fünfzig Prozent gehabt. Also wurde es wieder nichts, zu Florians Ärger. Er war wirklich zornig, ich verstand eigentlich nicht, warum. Er musste sich ja um nichts kümmern, und die Geschäfte liefen immerhin so, dass er trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation ansehnliche Summen ausgezahlt bekam. Seine eigenen Geschäfte schienen auch blendend zu laufen. Erst als er mir auch im Lauf des Jahres 2010 erneut drei Angebote machte, jedes zu einem noch niedrigeren Preis als das vorangegangene – echte Schnäppchen inzwischen – und sein Ton etwas immer Dringenderes bekam, wurde mir klar, dass der Grund ein anderer sein musste. Beim letzten Mal gestand er schließlich, dass er das Geld brauche.«
Er leerte sein Glas.
»Sagte er, warum? Oder wofür?«
Dorin schüttelte den Kopf.
»Das habe ich ihn auch gefragt. Er sagte, das gehe mich nichts an. Daraufhin bot ich ihm eine Finanzierung an. Aber die Summe, die er nannte, konnte ich ihm nicht geben, ohne seine gesamten Anteile erst wieder als Sicherheit nehmen zu müssen.«
Freund überschlug die Zahlen, von denen er gelesen hatte. Demnach wurde das Dorin’sche Firmenimperium auf rund zwei Milliarden geschätzt, ohne die Privatvermögen der einzelnen Familienmitglieder. Wenn das stimmte, betrug Florian Dorins Anteil rund fünfhundert Millionen. Die er brauchte. Wofür?
»Hätten Sie ihm das Geld als Privater gegeben oder über die Bank?«
»Zuerst bot ich ihm die Variante als Privater an. Doch unser Vater bekam Wind davon. Er drohte, künftig alle Stiftungsentscheidungen zu blockieren. Ich kenne meinen Vater. Glauben Sie mir, darauf haben Sie keine Lust, da bekommen Sie nichts mehr weiter.«
»Die Bank wäre in diesem Fall doch ohnehin die geeignetere Variante. Wenn sie Florian das Geld gegeben und seine Anteile als Sicherheiten bekommen hätte, wäre im Fall, dass sie die Sicherheiten hätte ziehen müssen, Florians Anteil an die Bank gegangen und damit letztlich an alle drei Verbliebenen in gleichem Maße.«
»Verkürzt dargestellt, ja. Zumindest wäre das eine Option gewesen. Darüber haben wir in den letzten Wochen verhandelt. Bis Sie vor
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