Wienerherz - Kriminalroman
Untersuchungen noch einmal. Zwei Details fielen ihm auf. Sie konnten mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich bei den Fingerabdrücken um jene Pridlascheks handelte, sicher sein würden sie aber erst, wenn sie die Prints vom Original nehmen konnten. So lange konnten die Spuren theoretisch noch von jemand anderem sein. Der zweite Punkt, der ins Auge stach, weil Canella explizit darauf hinwies, war, dass die Abdrücke zwar im Bereich beider Türen und am Dach auftauchten, aber nicht im Innenraum des Wagens. Was nichts bedeutete, überlegte Freund, Pridlaschek konnte drinnen Handschuhe getragen haben. Das Rauschmittel erwähnte Canella ebenfalls. Mehr als den kleinen Vorrat hatten sie nicht gefunden, gingen also vorerst von Eigenbedarf aus.
Lagerfeuer
Das Wochenende begann mit einem Doppelgesicht. Vom Himmel lachte die Sonne und versprach zwei wunderbare Tage im Weingarten.
Am Frühstückstisch lächelte ihm Claudia entgegen.
»Wie wäre es, wenn wir noch schnell auf die Mariahilfer Straße gehen und Sportsachen für dich besorgen?«
Er verschluckte sich fast an seiner Marmeladesemmel.
»Mariahilfer Straße am Samstag? Da bringen mich keine zehn Pferde hin.«
Dabei lag ihre Wohnung nur fünf Gehminuten entfernt. Doch Wiens beliebteste Einkaufsstraße war schon unter der Woche völlig übervölkert. Samstags gab es überhaupt kein Durchkommen. Freund mied sie, wann immer er konnte.
»Danke für den charmanten Vergleich«, bemerkte Claudia pikiert.
»Schatz …«
»Ich habe schon verstanden.«
»Sag einmal, Papa«, unterbrach Bernd die Diskussion. »Warum gehst du nicht einfach und holst das Zeug? Ich meine, seit Wochen streitet ihr jetzt darüber …«
»Wir streiten nicht«, erklärten Claudia und er im Chor.
»… und am Schluss«, fuhr sein Sohn unbeirrt fort, »kriegt dich Mama ja doch herum. Warum gibst du also nicht gleich auf?«
Angesichts dieser Frechheiten fehlten ihm die Worte. Und seine Tochter setzte noch eins drauf.
»Mund zu«, forderte ihn Clara auf.
Hatten die beiden recht? Empört suchte er Claudias Blick. Die widmete sich unschuldig ihrer Semmel und vermied tunlichst, ihn anzusehen. Ihre zuckenden Mundwinkel verrieten, dass sie kurz davor stand, in brüllendes Gelächter auszubrechen.
Jetzt war ganz klar Souveränität angesagt.
»Aaaah«, machte er, als wäre er beim Zahnarzt. Er ließ sich doch von seiner Tochter nicht sagen, wann er den Mund schließen sollte.
Danach aß er in Ruhe seine Semmel zu Ende.
»Wir haben heute keine Zeit dafür«, sagte er schließlich. Und mit einem Lächeln fügte er hinzu: »So leid es mir tut. Schließlich müssen wir noch alles vorbereiten.«
Seufzend musste Claudia zugeben, dass die Zeit knapp wurde.
Nach dem Frühstück fuhren sie direkt in den Garten.
Übermannshohe Heckenrosenbüsche säumten den schmalen Zugang. Ihre Zweige bogen sich unter der Last der Hetscherln.
Freund schleppte zwei große Säcke mit Edelkastanien, Bernd hatte einen geschultert. Noch hatten sie die Hütte nicht für den Winter verpackt. Von Dezember bis Februar kamen sie nur selten her. Eigentlich kontrollierte Freund nur einmal im Monat, ob sich niemand eingenistet und alles verwüstet hatte. Doch an Tagen wie heute entfaltete der kleine Besitz seinen ganzen Reiz. Die Weingärten glühten in der Mittagssonne, zwischen einigen Rebzeilen entdeckte Freund noch einige Spätleser bei der Arbeit. Auf den Wanderwegen dazwischen schien halb Wien unterwegs. Kein Wunder, nutzten seit ein paar Jahren doch einige Winzer den Herbst, auf den Hügeln am Rand der Weingärten gemütliche Stände aufzubauen, an denen die Spaziergänger kleine Köstlichkeiten und Sturm serviert bekamen.
Sie hatten kaum die drei Heurigentische mit den dazugehörigen Bänken aufgestellt, als die ersten Gäste eintrafen.
Eine halbe Stunde später drängten sich über vierzig Erwachsene im Garten, und mindestens noch einmal halb so viele Kinder tobten dazwischen herum. Die Tische bogen sich unter den mitgebrachten Speisen. Freund hatte längst den Überblick verloren, als er ein – fast – neues Gesicht entdeckte.
»Frau Korn, wie schön!«
»Ihre Frau hat mich eingeladen.«
»Dann lerne ich jetzt auch einmal Marlies kennen.«
»Das ist die da drüben mit den braunen Zöpfen und dem blauen Kleid, gleich bei Ihrer Tochter.«
Freund stellte sie ein paar Leuten vor, ohne ihren Hintergrund zu erwähnen, und schnell war sie in Gespräche vertieft. Er selbst musste sich dann doch mehr
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