Wienerherz - Kriminalroman
war das nicht genug.«
Zehn Minuten später knieten zwei Sanitäter und ein Arzt neben der Schwerverletzten. Freund inspizierte die anderen Räume. Dort sah es aus wie in der Wohnung. Ordner waren aus den Regalen gerissen, über den Boden verteilt. Er ärgerte sich. Sie hätten die Unterlagen gleich mitnehmen sollen. Wer wusste, was jetzt fehlte? Wieder einmal rief er Canella an.
Auffällig viel Zeit
Die Messerstecherei hatten Lia Petzold und Wagner so weit abgeschlossen, ein paar Verdächtige waren in Haft. Nach wie vor flüchtig war der mutmaßliche Haupttäter. Die Fahndung lief. Ein paar andere Fälle waren in den vergangenen Tagen dazugekommen, hatten sich aber ebenso schnell aufklären lassen. Am aufwendigsten dabei war der Papierkram gewesen. Vom Fall Dorin hatte Petzold in Gesprächen mit den Kollegen gehört – wenn es denn ein Fall war. Sowohl Marietta Varic als auch Lukas Spazier hatten mehrmals Zweifel geäußert. Jetzt wollte Chefinspektor Freund auch Wagner und sie noch hinzuziehen. Petzold fragte sich, warum ein Suizid so viele Ermittler brauchte. Gemeinsam mit Wagner ging sie in Freunds Büro. Varic und Spazier waren schon da.
Dort stapelten sich Kartons mit Unterlagen, die sie aus Dorins Büro mitgenommen hatten. Daneben standen noch ein paar aus Dorins Haus. Die anderen befanden sich bereits bei Varic und Spazier.
Freund gab ihnen einen kurzen Überblick über die bisherigen Ereignisse und Fakten. Er erzählte vom Besuch in Florian Dorins Büro. Eine Mitarbeiterin des Toten war schwer zusammengeschlagen worden. Die Eindringlinge hatten die Räumlichkeiten durchsucht und verwüstet.
»Ich will Fremdeinwirkung bei Dorins Tod noch immer nicht ganz ausschließen«, erklärte Freund, »aber die Einbrüche und Liebars Misshandlungen können natürlich bedeuten, dass Dorin ein gewaltiges Problem hatte, aus dem er vielleicht tatsächlich keinen anderen Ausweg mehr wusste.«
»Mit dem Angriff auf Marie Liebar haben wir jetzt vor allem einen handfesten Fall«, erklärte Spazier. »Kein ›vielleicht, möglicherweise, eventuell‹.«
Bildete Petzold sich das ein, oder sah er sie anders an als die anderen?
»Ich glaube«, sagte Freund, »dass der Angriff auf Liebar mit Dorins Tod zu tun hat. Das heißt, wir müssen uns Dorins Hintergrund noch genauer ansehen. Marietta und Lukas haben bereits begonnen, seine Kontakte zu analysieren und seine letzten Tage zu rekonstruieren. Leider war der Mann sehr umtriebig, weshalb es auf diesem Gebiet viel zu tun gibt. Ich fürchte, wir werden uns auch seine Geschäfte genauer ansehen müssen, von denen wir bislang nicht viel wissen.«
Der Gedanke bereitete Petzold Magengrimmen. Womöglich mussten sie jemanden aus der Wirtschaftsabteilung anfordern. Aber die war hoffnungslos überarbeitet.
»Der Überfall auf Liebar deutet auch darauf hin. Sie sagte, die Männer hätten nach Geld gesucht. Ich hoffe, wir können sie bald genauer befragen. Mein Gefühl sagt mir, dass es dabei nicht um ein paar Bündel in einem Tresor ging. Auf jeden Fall soll der Untersuchungsrichter Dorins Konten öffnen lassen.«
»Bekommen wir das denn so schnell hin?«, fragte Petzold.
»Ich werde es versuchen. Du weißt ja, wie das ist. Bei den Konten eines ganz normalen Bürgers dauert das nur einen Tag. Bei jemandem mit Dorins Verbindungen kann es auch ein Jahr dauern. Hat man in der jüngeren Vergangenheit oft genug erlebt. Wir werden sehen.«
Petzold verzog das Gesicht. Bei mutmaßlichen Wirtschaftsdelikten ehemaliger Politiker oder einflussreicher Manager hatten sich einige Ermittlungsbehörden bisweilen gern auffällig viel Zeit gelassen.
Freund ging zu den Kartons, zählte.
»Lukas und Marietta, ihr nehmt euch davon jeweils acht und ich auch. Durchsucht zuerst einmal alles mit Schwerpunkt auf Finanzverbindungen. Auch in den Unterlagen, die wir aus Dorins Haus mitgenommen haben. Selbstverständlich dürfen wir andere mögliche Motive natürlich nicht unberücksichtigt lassen. Lia, Alfons, darum kümmert ihr euch, bitte. Persönliches Umfeld, das Übliche. Marietta, du und Lukas, ihr macht weiter mit eurem Stoff. Ich nehme mir noch einmal Pridlaschek zur Brust, auch wenn ich nicht glaube, dass es sehr ergiebig sein wird. Aber dann haben wir den wenigstens aus dem Kopf.«
Dunkle Schatten
Pridlaschek hatte Liebar ein paarmal bei seinen Bespitzelungen gesehen. Als Freund ihm erzählte, was man ihr angetan hatte, wurde er fast hysterisch. Er habe nichts damit zu tun, jetzt wollten sie
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