Wienerherz - Kriminalroman
Aufnahmen hat er uns sofort zur Verfügung gestellt.«
Gemeinsam verfolgten sie die Bilder der Attacke. Aus dem Lautsprecher drangen die fassungslosen Kommentare des Filmenden.
»Völlig irrsinnig«, murmelte Spazier.
»Die Kennzeichen haben Sie überprüft?«, fragte Freund.
»Gestohlen«, antwortete der Polizist.
»In eine Werkstatt werden sie die Autos auch nicht geben«, stellte Petzold fest.
Auf dem Bildschirm segelte der Mini über die Leitplanke.
»Du liebe …«, flüsterte Spazier.
Freund stoppte den Film.
»Ich schicke die Filme weiter in die Technik. Vielleicht können die an den Geländewagen irgendwelche einzigartigen Merkmale feststellen.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Obwohl ich da nicht viel Hoffnung habe.«
»Der Typ mit dem Handy hat vom Pannenstreifen aus auch die Bergung aufgenommen. Ist in den anderen E-Mails. Der Vollständigkeit halber habe ich alles mitgeschickt.«
»Wurde in dem Mini Gepäck gefunden?«
»Ein kleiner Koffer und ein Computer.«
»Wo sind die?«
»Noch bei uns.«
»Die brauchen wir.«
»Ich bringe sie Ihnen vorbei.«
Freund rief den Untersuchungsrichter an und berichtete.
»Können wir schon in Florian Dorins Konten schauen?«
»Ich bin noch nicht dazu gekommen.«
Schimpfwörter schossen durch Freunds Kopf, von denen er gar nicht wusste, dass er sie kannte. Er beherrschte sich.
»Jemand, der uns etwas über Florian Dorin erzählen wollte, wurde heute auf brutalste Weise fast umgebracht. Das sollte den Prozess dann ja ein bisschen beschleunigen.«
»Ich melde mich, sobald ich etwas habe«, erklärte der Untersuchungsrichter.
»Noch was«, beeilte sich Freund hinzuzufügen. »Ein Kontakt von Florian Dorin ist vor wenigen Tagen ebenfalls gestorben.«
Er beschrieb ihm, was Spazier herausgefunden hatte. »Ich möchte den Mann obduzieren lassen.«
»Ich sehe keinen Grund dafür.«
»Die Aussage der Tochter.«
»Die Frau hat gerade ihren Vater verloren. Wer weiß, was sie da alles erzählt.«
»Vielleicht die Wahrheit?«
»Da müssen Sie mir schon mehr bringen.« Sagte es und beendete das Gespräch.
Perplex legte Freund den Hörer auf sein Telefon. Ein ungutes Gefühl sagte ihm, dass sie in diese Konten so schnell keinen Blick werfen würden. In die Geschichte waren Personen verwickelt, die einflussreich genug waren, die Ermittlungen zu behindern, oder die mit vorauseilendem Gehorsam des Untersuchungsrichters rechnen durften.
Der Pepe stand als Nächster auf Freunds Liste.
»Das sind ja Wildwest-Methoden«, empörte er sich nach Freunds Schilderungen.
Freund beschrieb ihm sein Gespräch mit dem Untersuchungsrichter.
»Vielleicht könnten Sie da noch einmal nachhaken«, bat er.
»Kann ich natürlich, aber Sie wissen ja, wie das ist.«
Freund wusste. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Aber manche sind gleicher, wie schon George Orwells Oberschwein Napoleon wusste.
Die Grenzen des Anstands
Diesmal hatte Freund auf einem weniger konspirativen Treffpunkt bestanden. Leopold Dorin empfing ihn in der Bank.
»Am Freitag ist Florians Begräbnis«, erklärte er. Und nahm Freund damit einigen Schwung. Wie konfrontierte man den trauernden Bruder damit, dass er der Polizei Informationen vorenthalten hatte? Zumal solche, die nicht das beste Licht auf ihn warfen.
»Heute habe ich Ihre Frau kennengelernt.«
»Ich weiß. Sie waren im Friedahaus. Haben Sie erfahren, was Sie wollten?«
»Ihre Mutter hat da etwas Beeindruckendes geschaffen.«
Er lächelte fast. Wegen des Lobs? Oder weil Freund einer Antwort ausgewichen war? Gleichgültig.
»Allerdings. Sie lebt für dieses Haus.«
»Was sagt Ihr Vater dazu?«
»Er unterstützt es natürlich. Er ist einer der größten Spender.«
»Ist er auch schon einmal bei der Essensverteilung gestanden? Pardon, ich kann ihn mir dort schwer vorstellen. Andererseits, bevor ich Ihre Mutter dort gesehen habe …«
»Mein Vater war schon öfters im Friedahaus.«
Mehr sagte er dazu nicht.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Ihre Frau über Ihren Bruder kennenlernten.«
»Kaum zu glauben, was? Florian, der Frauenheld. Aber sie nahm mich.«
»Sie werden Vater.«
Zum ersten Mal sah Freund etwas in Leopold Dorins Gesicht aufgehen, als hätte man eine Tür zu seinen Gefühlen geöffnet.
»Ist das nicht großartig? Haben Sie Kinder?«
»Zwei. Sie gehen schon zur Schule.«
Dorin senkte den Kopf. »Schade, dass Florian es nicht mehr kennenlernen wird.«
»Sie haben ihn an seinem Todesabend noch besucht?«
Ein Ruck
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