Wienerherz - Kriminalroman
Drei-Hauben-Lokal, dachte Freund.
»Praktischer Nebeneffekt: Der Kontakt mit dem Elend erdet, wenigstens ein bisschen. Aber um das zu erfahren, sind Sie nicht gekommen.«
»Wie Sie vielleicht wissen, ist nach dem Tod Ihres Schwagers einiges passiert, weshalb wir ermitteln.«
Bei dem Wort »Schwager« lief sie rot an. Freund redete weiter, als habe er es nicht bemerkt.
»Bei der Durchsicht seiner Telefonate in der letzten Zeit tauchen Sie häufig auf. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob er mit Ihnen zufällig über etwas gesprochen hat, was uns weiterhelfen könnte.«
Die abgeflaute Farbe in ihrem Gesicht kehrte wieder, als sie antwortete: »Nicht dass ich wüsste. Er plauderte gern, und ich glaube, er versuchte, über mich seinem Bruder und seinem Vater näherzukommen.«
»Ich hoffe, nur dem Bruder und dem Vater. Er war ja als Weiberheld bekannt.«
Statt erneut anzulaufen, lächelte sie.
»Das hatten wir schon hinter uns. Durch Florian habe ich Leopold kennengelernt. Wobei ich davor auch keine Beziehung mit Florian hatte, auch wenn er es eine Zeit lang heftig versuchte.«
Vielleicht hatte er ja später Erfolg, dachte Freund.
»Hat er Ihnen das nicht übel genommen?«
»Florian? Aber nein. Dann versuchte er einfach bei einer anderen sein Glück. Und bei vielen war er ja durchaus erfolgreich. Ich habe ihn immer mit mindestens einem Mädchen am Arm gekannt.«
Eigentlich wusste er nicht, ob die Do von der Liste Dorothea Dorin war. Er versuchte es einfach.
»Sie wurden gelegentlich bei Florian Dorin gesehen. Und sollen dabei sehr vertraut gewirkt haben.«
Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwunden war.
»Ist es verboten, seinen Schwager zu besuchen? Oder verwunderlich, wenn man sich gut mit ihm versteht?«
Freund schielte auf ihren Bauch. Siebter Monat. Vor etwa einem halben Jahr hatte die Haushälterin »Do« zuletzt bei Florian Dorin gesehen. So weit wollte er mit seinen Fragen jetzt nicht gehen. Er würde doch keine Antwort erhalten. Trotz ihrer Manieren strahlte sie nicht die Unnahbarkeit ihres Mannes und ihrer Schwiegereltern aus.
Freund fragte sich, wie sie mit dieser Familie zurechtkam, als Annemarie Dorin sich zu ihnen gesellte. Sie wirkte gelöster als beim letzten Mal.
»Darf ich?«
»Bitte.«
Sie setzte sich.
»Eine großartige Sache haben Sie hier aufgezogen«, sagte Freund.
»Wir haben genug Geld und Zeit, um so etwas zu tun. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass ein Vermögen wie unseres und das Glück, das uns das Leben geschenkt hat, auch eine Verpflichtung bedeuten.«
Freund wunderte sich, dass die Frau wenige Tage nach dem Tod ihres Sohnes vom Glück, das ihr das Leben geschenkt hatte, sprach.
»Sind Sie wegen Florian hier?«
»Seinetwegen, vor allem aber wegen seiner Mitarbeiterin, die brutal zusammengeschlagen wurde, wie Sie vielleicht gehört haben.«
»Wir haben davon erfahren«, sagte Do. »Die Arme. Haben Sie die Täter schon?«
»Wir suchen sie noch. Haben Sie sonst vielleicht eine Idee, warum das jemand getan haben sollte? Es muss etwas mit Ihrem Sohn, Ihrem Schwager zu tun haben. Die Leute haben etwas in seinem Büro gesucht.«
»Über Florians berufliche Tätigkeiten weiß ich gar nichts, bedaure«, erklärte Annemarie Dorin und erhob sich. »Es hat mich gefreut. Und wenn Sie einmal Lust auf ein wenig ehrenamtliche Arbeit haben, sind Sie immer herzlich willkommen.«
Mit Rambo Gassi
Lukas Spazier hatte von Freund den Auftrag erhalten, jene Nachbarn Florian Dorins zu befragen, die sie bislang nicht erwischt hatten. Also ging er noch einmal von Tür zu Tür. Niemand, den er antraf, hatte etwas gesehen, weder am Vortag noch in der Nacht. Der Tag lag schon über eine Woche zurück. Das allein erschwerte genaue Erinnerungen. Spazier wollte schon auf sein Motorrad steigen, als vor dem Haus direkt nebenan ein Sportwagen in die Einfahrt bog. Das Gartentor öffnete sich automatisch, der Wagen verschwand. Spazier ging hinüber. Weil er die Bewohnerin nicht unnötig damit erschrecken wollte, dass plötzlich ein fremder Mann auf ihrem Grundstück stand, schlüpfte er nicht noch schnell durch das Tor, das sich langsam schloss, sondern wartete kurz und klingelte dann.
Gegensprechanlage, vorstellen, eingelassen werden.
Eine schlanke Mittfünfzigerin, vielleicht ein bisschen chirurgisch verjüngt, platinblond. Spazier lieferte sein Sprüchlein ab.
»Eine tragische Geschichte«, seufzte die Frau.
Sie saßen im Wohnzimmer,
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