Wienerherz - Kriminalroman
vor allem für ihn selber. Zweitens hält mein Mandant mit Nachdruck fest, dass er mit dem Tod von oder Anschlägen auf Journalisten nichts, aber schon gar nichts zu tun hat, ebenso wenig wie mit dem Tod von Herrn Dorin und Herrn Billing.«
»Den wir bislang gar nicht namentlich erwähnt haben«, bemerkte Freund.
Meyer setzte wieder sein trauriges Lächeln auf.
»Wer sollte vorhin denn sonst gemeint sein mit dem zweiten Toten? Dass die ausgezeichneten Verbindungen von Herrn Billing nach Bulgarien beim Temvolt-Kauf hilfreich waren, ist Ihnen sicher nicht verborgen geblieben und auch kein Geheimnis. Im Übrigen ist der Arme unserem Wissen nach an einem Herzinfarkt gestorben.«
»Sie sind gut informiert«, stellte Freund fest. »Von wem wissen Sie das?«
»Von der Witwe«, erwiderte Briedlach.
»Wir haben in diesem Zusammenhang allerdings ganz andere Fragen«, sagte Meyer. »Sie insinuieren, dass es bei diesen Todesfällen nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Spinnt man dieses Garn konsequent weiter, kommt man zu ganz überraschenden Ergebnissen: Zwei österreichische Mitglieder des Konsortiums sind tot. Glauben Sie, dass weitere folgen könnten? Halten Sie meinen Mandanten womöglich für ein derartiges potenzielles Opfer? Ist es dann nicht nachgerade unverschämt, ihn hier mit allerlei Anschuldigungen zu konfrontieren, statt ihm Schutz zu gewähren?«
»Mir kommen gleich die Tränen«, antwortete Freund. »Sie sollten Märchenerzähler werden. Falls Ihr Mandant Sorge haben könnte, dass dieses Szenario nicht nur eine weinerliche Phantasie Ihrerseits ist, sollte er mit uns reden. Wenn wir wissen, von wem er sich bedroht fühlt, können wir ihn schützen.«
Meyer hob abwehrend die Hände. »Herr Briedlach fühlt sich nicht bedroht. Das war nur ein Gedankenspiel.«
»Verschwenden Sie unsere Zeit nicht mit Spielchen«, sagte Freund. Er verstand nicht, worauf Meyer hinauswollte. Einen Deal bot er nicht an. Schutz wollte er auch nicht. Freund gingen die zwei auf die Nerven.
»Verschwinden Sie.«
Wieder einmal telefonierte Freund mit dem Untersuchungsrichter. In kurzen Worten fasste er den Termin mit Briedlach zusammen.
»Haben Sie die Kontenöffnung angeordnet?«, fragte er zum Abschluss.
»Nein«, antwortete der Richter.
Freund begann zu kochen. Bevor er loslegen konnte, fuhr der Richter bereits fort: »Ich wollte Sie ohnehin noch informieren. Ich wurde befördert, mit sofortiger Wirkung. Meine Fälle muss ich daher alle abgeben. Für Ihren ist jetzt die Kollegin Sandleitner zuständig.«
Einen Augenblick lang blieb Freund die Sprache weg.
»Wussten Sie davon schon länger?«, wollte Freund wissen.
»Nun ja, es gab wohl einen überraschenden Abgang bei der Stelle, deshalb musste schnell jemand Neues gefunden werden.«
»Das heißt, wegen der Konten muss ich mich jetzt an die Frau Dr. Sandleitner wenden?«
Freund kannte die Frau, eine routinierte Untersuchungsrichterin, die nicht für ihren Enthusiasmus bekannt war.
»Das wird natürlich eine Weile dauern«, erklärte der Untersuchungsrichter, »bis sie sich in den Akt eingearbeitet hat.«
Freund schloss die Augen.
Holte tief Luft.
Atmete ganz langsam aus.
Das Muster war Freund allzu vertraut. Man bemerkte, dass ein Untersuchungsrichter einflussreichen Persönlichkeiten bei seinen Ermittlungen unangenehm werden könnte. Eine Weisung durch Vorgesetzte oder gar den Justizminister war die plumpeste Möglichkeit, die lästigen Untersuchungen zu beenden. Eine – wenn sie herauskam – peinliche, aber gern geübte war das »Verschwinden« von Akten auf dem Dienstweg. Kam immer wieder vor, selbstverständlich ohne jede Absicht. Auch beliebt, weil den vorauseilenden Gehorsam der meisten seiner Mitglieder dezent, aber wirksam nutzend, war der beschwerliche Weg von Informationen durch die Instanzen der Weisungskette, harmlos-perfid »Fachaufsicht« genannt. Er begann beim Sachbearbeiter in der Staatsanwaltschaft, führte über dessen Gruppenleiter zum Leiter der Staatsanwaltschaft und von diesem zum Sachbearbeiter in der Oberstaatsanwaltschaft. Dieser gab ihn an den Oberstaatsanwalt weiter, der ihn nun aus der Justiz ins Ministerium reichte, vorzugsweise an den Sachbearbeiter in der Weisungsabteilung. Der gab weiter an seinen Abteilungsleiter, dieser an den Sektionschef, und schon hatte die Nachricht den Minister erreicht. Natürlich wusste jeder dieser Staffelläufer, was er tun musste, um seine Karrierechancen zu wahren. Elegant war auch die
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