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Wigges Tauschrausch

Wigges Tauschrausch

Titel: Wigges Tauschrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wigge
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fange ich wieder an zu rauchen! Ein unglaublicher Fauxpas, mit 34 solch ein Rückfall! Aber die Enttäuschung über fehlende Tauschangebote hat mich kalt erwischt. So sammeln sich auf meinem Schreibtisch leere Bierflaschen und haufenweise Zigarettenstummel – das Bild eines total frustrierten Tauschreporters.
    Als einfach keine Angebote auf dem elektronischen Weg eingehen wollen, greife ich zu Strategie 2, die Straße. Ich stehe am Brandenburger Tor, im Sony Center, vor dem Reichstag, am Potsdamer Platz und wo auch immer mit dem 1,50 x 1 Meter großen Gutschein in der Hand und rufe immer wieder das Gleiche in die Menschenmassen:
    »Reisegutschein nach Afrika für zwei Personen! Drei Wochen! Kilimandscharo-Besteigung inklusive! Ja, Sie haben richtig gehört! Kilimandscharo! Kilimandscharo! Kilimandscharo!«
    Und während ich da so stehe und in die Menge rufe, bemerke ich, wie in meinem Kopf gehässige und übellaunige Stimmen die Regie übernehmen:
    »Ja, nehmt sie nur, diese blöde Kilimandscharo-Reise. Diese verdammte, anstrengende Reise, die Reise, auf der ich sechs Tage lang diesen Berg bestiegen habe, obwohl ich Wandern hasse. Diese Reise, auf der mich die Edelsteinhändler reihenweise über den Tisch ziehen wollten. Ach ja, und nehmt doch auch die Reise, auf der ich von den Hadzabe ausgelacht wurde, nur weil ich ihre große Rauschpfeife nicht richtig rauchen konnte. Nehmt sie nur, diese Reise …«
    Es kommt mir vor, als mache sich in meinem Kopf ein einziger großer Schrei breit: »Nehmt die Reise, dann bin ich sie endlich los!« Und dann denke ich: So bin ich doch gar nicht. Woher kommt nur diese Verbitterung nach all den tollen Erlebnissen, die hinter mir liegen. Eins wird mir jedenfalls klar, in dieser Stimmung werde ich die Reise ganz sicher nicht an den Mann oder die Frau bringen. Wenn ich ausstrahle, was ich hier gerade denke, wird nie jemand anbeißen.
    Und ich merke in diesem Moment, dass ich total erschöpft bin und eigentlich eine Pause brauche, um mich wieder an alles Schöne zu erinnern und das dann auch so rüberzubringen. So jedenfalls nicht, das wird mir jetzt klar, und ich beende diesen Straßenk(r)ampf.
    Da über das Internet bislang nur uninteressante, beziehungsweise unseriöse Tauschangebote eintrudeln, wende ich mich meinen Medienkontakten zu. Ich schreibe alle möglichen Redakteurs- oder Moderatoren-Kollegen bei Radio 1 LIVE , Radio Fritz, Funkhaus Europa, Sat1 Frühstücksfernsehen , MTV , Berliner Verlag, WAZ , TV Total an. Ich bitte um ein spannendes Interview über den Tauschrausch der letzten vier Monate, in dem ich meinen Tauschaufruf loswerden kann.
    Ich höre, wie ich zu den Kollegen sage, dass »wir uns ja mal wieder auf einen Kaffee treffen könnten«, höre mich fragen »Wie läuft’s denn so?« oder »Was treibst du denn gerade?«. Und ganz ähnlich wie schon auf der Straße spüre ich eigentlich nur Müdigkeit und eine unheimliche Leere. Ich merke, dass ich nicht ehrlich bin. Ich mag all die Leute, mit denen ich spreche, aber eigentlich habe ich unter dem aktuellen Zeitdruck überhaupt keine Lust zu einem gemütlichen Kaffeeklatsch und keine Energie, mir die Geschichten der anderen anzuhören. Und natürlich merken das die anderen. Das Ergebnis lässt nicht lange auf sich warten. Zwei Tage später finde ich zwei Absagen im Briefkasten, und sonst herrscht Stille im Postfach.
    Der Tauschrausch scheint niemanden zu interessieren, nicht einmal im Juli, mitten im Sommerloch.
    Langsam werde ich nervös, ich habe nur noch wenige Tage in Deutschland, dann geht mein nächster Flug, diesmal in die Ukraine. Ich checke ein weiteres Mal alle Online-Plattformen und rauche wie Rudi Carrell und Helmut Schmidt in ihren besten Zeiten. Dann bekomme ich über meinen Blog erste interessante Zusagen. Eine Leserin möchte ihren 230er-Mercedes aus den Neunzigern eintauschen, und eine ältere Dame möchte ihre alten Münzen aus der Südsee für die Afrikareise hergeben. Aber bei beiden Angeboten muss ich passen.
    Der Mercedes ist logistisch eine zu schwierige Aufgabe. Was passiert, wenn ich ihn in der Ukraine nicht loswerde? Schließlich steht Südamerika noch auf der Liste, soll ich den Atlantik im Mercedes überqueren? Von all den Einfuhrbestimmungen in den verschiedenen Ländern einmal ganz zu schweigen. Bei den Südseemünzen dagegen muss ichpassen, da der ideelle Wert für die Besitzerin zwar hoch sein mag, sie stammen von einer lange zurückliegenden Hochzeitsreise, für mich allerdings haben

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