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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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der übelste Sünder gefühlt.
    Er zwang sich, den Blick zu heben. Wie anders diese Frau doch war … Ein Elfenwesen, der Haarzopf hell und glänzend, das Gesicht von sanfter Bräune. Ein paar Sommersprossen ließen sie unbeschwert wirken, doch um ihren vollen Mund lag ein entschlossener Zug. Die Farbe ihrer Augen erinnerte an das Meer, in dem sich ein heller Himmel spiegelte. Der düstere Blick und die zusammengezogenen Brauen ließen jedoch eher an die sturmgepeitschte See denken.
    Bei einem Mann hätte er mühelos erkannt, ob dessen Ingrimm lediglich der Versuch war, Furcht zu überspielen. Gegen eine Frau hatte er jedoch noch nie gekämpft, und auch ein langer Blick in ihr Gesicht gab ihm keinen Aufschluss über ihre Gefühle.
    Baldvin stieg auf seinen Stuhl und von dort auf die Tische, wo er, Becher und Krüge missachtend, zu ihm stapfte. Drohend funkelte der zwergenhafte Häuptling ihn von oben herab an. In der Faust hielt er ein Kurzschwert, das Rouwen zuvor nicht bemerkt hatte. Mit dem Griff voraus reichte er es ihm.
    »Mit den Fäusten könnt ihr zwei ja schlecht kämpfen. Dieses Schwert ist stumpf. Du darfst es gebrauchen, Engländer, aber du wirst weder ihre Hände noch Füße noch Gelenke und schon gar nicht ihr Gesicht …«
    »Vater!«
    »Ja, mein Wirbelwind?«
    »Ich weiß mich zu wehren.« Mit diesen Worten zog sie ihr Schwert aus der Scheide. Es war schmaler und kaum länger als das, welches Rouwen entgegennahm. Sie ließ es vorschnellen und hob es in einer eleganten Bewegung; dann ließ sie es sinken.
    Baldvin neigte sich vor. »Du hast verstanden, Engländer«, knurrte er in Rouwens Ohr. »Wenn nicht, wirst du es bereuen.« Dann richtete er sich wieder auf und verschränkte die Arme. Offenbar gedachte er nicht, dem Kampf von seinem Häuptlingsstuhl aus zuzusehen. Rouwen zweifelte nicht, dass der Zwerg ihn anspringen würde, sollte sein Töchterlein in Gefahr geraten.
    Welch ein Irrsinn. Baldvin klatschte in die Hände, und sofort sprang Rúna nach vorne und schwang ihr Schwert.
    Gott im Himmel, sie war schnell! Rouwen riss sein Schwert hoch, um den Hieb abzufangen. Trotz seiner geringen Größe fühlte es sich schwer und plump in der Hand an. Rúnas Waffe war hingegen leicht und messerscharf. Ein gutes Schwert, das er lieber selbst in der Hand gehalten hätte – um es gegen die Männer zu erheben, nicht gegen Rúna. Er wusste, dass er gegen sie nicht kämpfen konnte. Baldvins Warnung hätte es nicht bedurft.
    »Mach schon, Engländer«, fauchte sie ihn an. »Ich bin keine empfindliche Dame.«
    Dieses Engländer-Gerede hatte er so satt, dass er ebenso unfreundlich erwiderte: »Mein Name ist Rouwen.«
    Spöttisch hob sie eine Braue. »Wie du willst, Rouwen.«
    Er nahm ihren linken Oberschenkel in Augenschein. In einem richtigen Kampf hätte er es vermieden, seinem Gegner durch einen solchen Blick zu verraten, wohin sein Treffer gehen sollte. Aber er wollte ihr Vorteile verschaffen. Als er darauf zielte, kam ihre Abwehr zu spät – sie hatte eine Finte vermutet. Gerade noch rechtzeitig drehte er seine Klinge, sodass die flache Seite ihren Schenkel traf.
    Damit hatte er ihren Stolz verletzt; er sah es an ihrem Blick, mit dem sie ihn förmlich aufspießte. Sie schlug nach dem Knie seines vorgestellten Beins. Im allerletzten Augenblick schaffte er es, der gefährlichen Klingenspitze auszuweichen. Immer noch hatte er sich nicht an diesen ungewöhnlichen Gegner gewöhnt. Angespornt von seinem Zögern – oder ihrem Ärger darüber – deckte sie ihn mit einer Folge rascher Hiebe ein. Als sie zu ihrem Bruder zurückblickte, der in der Nähe des Windfangs stand, wurden ihre Züge für einen kurzen Moment weich. Doch dann sprang sie wieder heran, wie eine Gazelle, und entblößte die weißen Zähne zu einem Fauchen. Und wieder musste er an das Hohelied denken.
    Deine Brüste sind wie ein Zwillingspaar junger Gazellen, die unter den Lilien weiden … Gottverdammt, Rouwen! Halte deine Gedanken im Zaum!
    Hart sog er den Atem ein. Ihre Schwertspitze war über seinen Handrücken gefahren. Verblüfft sprang er so weit zurück, dass er mit dem Hintern an einen der Tische stieß, und presste die andere Hand auf den Schnitt.
    Er wartete, dass die Männer ihn auslachten. Stattdessen schwiegen sie.
    »Engländer.« In Baldvins Stimme schwang Ungeduld. »Ich sagte, du darfst dein Schwert gebrauchen. Was du da treibst, ist ja lächerlich.«
    »Allerdings«, schnaubte Rúna. »Du sollst …«
    Na schön, wenn sie es

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