Wikingerfeuer
machte einen Schritt zurück. Er bewegte sich unsicher, stapfte wankend zum Rand des Teichs und suchte Halt an einem mit Flechten bewachsenen Stein.
»Nein, ma dame. Nein.« Schwer hob und senkte sich seine Brust. »Das ist … falsch. Ich will das nicht …«
»Du willst nicht?«
»Mein Schwur hindert mich.«
Die Worte waren wie ein neuerlicher kalter Guss. Welcher Schwur? Den, dass er niemanden angreifen würde? Nein, es konnte nur Athelna gemeint sein, denn auch ihr gegenüber hatte er einen Schwur getan. Womöglich doch einen Liebesschwur? Rúnas Wangen brannten vor Scham. Sie fuhr herum und stieg aus dem Teich, rannte zurück ins Schwitzhaus und warf die Tür zu.
»Ich kann nicht, Rúna!«, hörte sie ihn noch verzweifelt aufschreien.
Er konnte. Aber er wollte sie nicht! Sie packte den Ginsterzweig, wollte damit um sich schlagen und fiel dann doch nur ermattet auf die Pritsche.
III.
GEZWUNGEN
9.
D as Rudern half, die Gedanken treiben zu lassen. Vor und zurück, vor und zurück … Rouwen saß wie die anderen Männer an den Riemen. Auch auf dem Schiff des franzischen Händlers hatte er beim Rudern geholfen, wenn der Wind schwach war oder aus der falschen Richtung kam. Die pfeilschnelle Windjägerin war mit der schwer beladenen Handelskogge jedoch nicht zu vergleichen. So leicht würde sie nicht auf einen Felsen auflaufen. Vor und zurück, vor und zurück … Er dachte zurück an jenen Tag. Dachte an Elrics Ende und daran, wie er Rúna zum ersten Mal gesehen hatte.
Er dachte daran, wie sie … Halt! Muss mich denn jeder Gedanke zu ihr führen? Gott im Himmel, bewahre mich vor dem, was mich da gepackt hält.
Ein Schatten war auf ihn gefallen, und ihm wurde bewusst, dass Sverri schon eine ganze Zeit neben ihm stand und ihm irgendetwas unter die Nase hielt. Es war, bei näherer Betrachtung, ein schwarzer Dörrfleischstreifen.
»Schottischer Biberschwanz«, erklärte der Wikinger freundlich lächelnd. »Es hilft deinem schwachen Gemächt hoch. Im wahrsten Sinne des Wortes.«
Was war das nun wieder für eine heidnische Teufelei? Rouwen schüttelte den Kopf.
»Du sagtest, du könntest keiner Frau beiliegen«, beharrte Sverri.
» Was habe ich?«
»Ja, neulich. Bei den Schwitzhütten. Nimm’s mir nicht krumm, aber ich war zufällig da. Ich wollte es mir mit einer Sklavin in einer der Hütten gemütlich machen. Nun iss schon!«
Rouwen nahm eine Hand vom Ruder, nahm den Streifen und schnupperte daran. Wie erwartet war der Geruch salzig und widerwärtig.
»Davon abgesehen«, mit dem Unterarm stupste Sverri gegen seine Schulter. »Du solltest bedenken, dass der Wirbelwind einem anderen gehört. Ist besser für dich und deine Haut, wenn du das nicht vergisst.«
»Danke für die Warnung«, murmelte Rouwen, aber Sverri war schon weitergestiefelt.
Das war ja alles nicht zu fassen. Wie kam Sverri nur darauf, dass er …? Allmächtiger, natürlich, jetzt fiel es ihm ein. »Aber so war das doch nicht gemeint gewesen«, knurrte er in sich hinein. Natürlich könnte er. Als ob er noch nie … hart gewesen wäre. Hölle und Teufel! Er schleuderte den Streifen über Bord.
Die Warnung vor Yngvarrs Besitzansprüchen gegenüber Rúna war ebenso unnötig. Denn Rouwen würde sich hüten, noch einmal so weit zu gehen. Und das nicht etwa wegen Yngvarr! Natürlich war es nur vernünftig, dass er, der nach wie vor eine Geisel war, die Finger von der Häuptlingstochter ließ. Doch vor allem fürchtete er den Verlust seines Seelenheils. Er hatte einen Eid der Armut, des Gehorsams und eben auch der Keuschheit geleistet. Etwas Derartiges durfte nicht wieder geschehen.
Er hatte in den Tagen vor ihrem Aufbruch zu Gott gefleht, dass Rúna nicht mitfahren möge. Aber der heidnische Wirbelwind hatte einen eigenen Kopf, und natürlich war sie mit an Bord gestiegen. Rouwen bemühte sich nach Kräften, ihr aus dem Weg zu gehen und überhaupt so wenig wie möglich von ihr zu hören und zu sehen.
Auf einem Boot ein gänzlich zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.
Er sah sie ständig. Er hörte sie ständig.
Schlimmer, er gierte nach einem Blick, nach einem Wort. Denn jedes Mal, wenn sie ihm nah war, klang tief in ihm etwas an, das aus purem Glück gemacht schien.
Irgendwo hinter ihm ertönte ihre klare Stimme. Er wagte einen raschen Blick über die Schulter. Sie stand bei ihrem Vater auf der Heckplattform. Der Zwerg handhabte die schwere Ruderpinne, als bereitete es ihm nicht die geringste Mühe. Wie stark wäre dieser Mann wohl,
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