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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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flackerte wild, als Rowena auf der Treppe nach oben eilte. Black Otter schluckte seine Enttäuschung hinunter und widerstand dem Verlangen, sie zurückzurufen, wohl wissend, dass ein Schrei den Wächter alarmieren und sie beide ins Unglück stürzen würde.
    Sein Blick folgte ihr, bis die Tür sich hinter ihr schloss und er allein im Dunkeln zurückblieb.

15. KAPITEL
    Sibyl hatte gute Arbeit geleistet. Das halb zerfallene alte Herrenhaus war nicht wiederzuerkennen. Innen und außen herrschten Leben und Farbenpracht. Das Sonnenlicht tanzte auf den Sommerkleidern aus leuchtendem Damast, Batist und Seidentaft und auf reich verzierten Wämsern aus Brokat und Taft. Es brachte die leuchtenden Farben mit all ihren Schattierungen wie dem saftigen Grün der Weidenbäume, dem Goldgelb der Primeln und lohfarbenen und flammend roten Tönen zum Strahlen. Der muntere Klang von Laute und Lautengitarre schallte über das Moor, vermischt mit Gelächter und Stimmengewirr, dem Schnauben und Wiehern der Pferde und dem Geschrei spielender Kinder.
    Es war Rowena gewesen, die trotz Sibyls Einwänden darauf bestanden hatte, zusammen mit den Eltern auch die Kleinen einzuladen. Sie tollten zwischen den Erwachsenen herum, spielten unermüdlich Fangen und mussten dabei ständig aufpassen, um den Stiefeln und Reifröcken auszuweichen. Anfangs hatten auch die Hunde mitgemacht, aber jetzt, in der schwülen Nachmittagshitze, lagen die meisten dösend im Schatten der Fuhrwerke und Wagen.
    Der gesamte Landadel aus einem Umkreis von drei Meilen war gekommen, ebenso einige sorgfältig ausgewählte Kaufherren, Doktoren und Gelehrte. Früh am Nachmittag hatten sie sich an einem Festschmaus aus Roastbeef und Ale, Nierenpastete, Sommergemüse und frisch gebackenem Brot gütlich getan, gefolgt von einem köstlichen schwarzen Plumpudding mit reichlich frischer Sahne. Jetzt, satt und träge nach dem guten Essen, schlenderten sie über das Moor, tanzten, spielten und standen in Grüppchen beisammen, die sich lebhaft unterhielten. Wer dort noch Platz gefunden hatte, machte es sich im Schatten des Pavillons gemütlich, der zwar schon etwas schäbig war, aber dennoch gute Dienste tat.
    “Meine Liebe, Ihr werdet Euch wohl kaum an mich erinnern, nicht wahr?” Die füllige Matrone mit den verschwitzten grauen Locken, die über die Halskrause hingen, griff nach Rowenas Hand. “Lady Osgood. Eure Mutter war eine gute Freundin von mir. Es ist so traurig, dass sie so jung dahingehen musste, und nun auch Euer Vater – ah, Ihr habt wirklich kein leichtes Schicksal!” Sie tupfte sich die Augen mit einem leinernen Taschentuch. “Dort drüben, in dem blauen Gewand, das ist mein Gemahl, er unterhält sich gerade mit Eurem … Indianer.” Sie nickte einem gedrungenen Mann zu, der mit einem blassblauen Wams angetan war, einer aus einer großen Gruppe von Gästen, die sich um den Wilden geschart hatten und ihn mit Fragen überhäuften.
    Rowena betrachtete den Wilden insgeheim durch ihren dunklen Trauerschleier. Man musste ihm hoch anrechnen, wie gut er das Festessen gemeistert hatte, indem er ganz ruhig und selbstverständlich die Tischsitten der anderen Gäste nachahmte. Aber jetzt spürte sie, wie schwer es ihm fiel, die Fassung zu bewahren. Er stand in die Enge getrieben an einen der Pfeiler des Pavillons gelehnt und sah gerade so aus wie ein festgebundener Adler, der von einem Schwarm Möwen bedrängt wird. Sein sehnsüchtiger Wunsch zu fliehen war so stark, so deutlich spürbar, dass Rowena, die ihn bestens kannte, dies auch aus der Entfernung wahrnehmen konnte.
    Er war tatsächliche eine majestätische Erscheinung. Rowena hatte seine Kleidung selbst zusammengestellt, das schlichte Lederwams, unter dem er ein weißes Leinenhemd trug, dazu Kniehosen und eine Strumpfhose aus feiner dunkelbrauner Wolle. Die von ihr ausgewählte Samtkappe hatte er zuerst mürrisch abgelehnt, sich aber schließlich doch dazu erweichen lassen, sie zu tragen, ehe er sie dann prompt verlor. Sein Haupt mit der schimmernden Mähne blauschwarzen Haares erhob sich aus der Menge, und auf seiner Stirn prangte die tätowierte Kette fliegender Vögel. Er sah so königlich aus wie nur je ein Monarch, und jedes Mal, wenn sie zu ihm hinübersah, schwoll Rowenas Herz vor Stolz.
    Aber war es richtig gewesen, den Wilden der Gesellschaft vorzustellen? Hatte ihre entschlossene Tat ihn gerettet, oder würde dadurch letztendlich sein Elend nur noch verschlimmert?
    “Meine Liebe, hört Ihr mir denn überhaupt

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