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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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zu?” Lady Osgoods schneidende Stimme schreckte Rowena aus ihren Träumereien auf. “Ich habe mich gerade zu diesem grimmig aussehenden Geschöpf geäußert, das Euer Indianer zu sein scheint. Diese sonderbaren Tätowierungen – und diese ungezähmte Wildheit, die in seinen Blicken liegt! Ich muss schon sagen, es gehört sich wirklich nicht, wie er Euch die ganze Zeit anstarrt, als ob er durch Eure Kleider hindurchsehen könnte!”
    “Er ist beeindruckend!” Eine hochschwangere Frau etwa in Rowenas Alter war zu ihnen getreten. “Die Mädchen sind alle hingerissen von ihm! Seht Euch doch nur diese Schultern an! Verglichen mit ihm sehen unsere englischen Herren aus wie ein Schwarm aufgeplusterter Tauben! Wenn ich noch ledig wäre und nicht angeschwollen wie eine überreife Pflaume, dann wäre ich auch hinter ihm her!”
    “Also wirklich, Arabella!”, fuhr Lady Osgood sie an. “In der Nähe eines solchen Geschöpfes hätte ich Angst um meine Tugend!”
    “Bei allem nötigen Respekt, Mylady, Tugendhaftigkeit wird viel zu hoch bewertet!” Arabella kicherte und tätschelte ihren Bauch. “Was mich angeht, ich vermisse sie überhaupt nicht! Und mit einem solchen Mann …” Sie starrte den Wilden mit unverhohlener Begierde an.
    Lady Osgood schnaufte missbilligend und wandte sich an Rowena. “Welch ein Glücksfall, dass Master Bosley in der Nähe war, um Euch zu beschützen. Und seine entzückende Schwester. Ein wahrer Segen für Euch, meine Liebe, dass die beiden wie vom Himmel geschickt auftauchten, als Ihr sie am dringendsten brauchtet!”
    “Ja”, murmelte Rowena geistesabwesend. Ihr Blick huschte zu Sibyl, die an der gegenüberliegenden Seite des Pavillons Hof hielt, umgeben von unreifen Jünglingen, die an ihren Lippen hingen und jedes Wort aus ihrem zierlichen herzförmigen Mund geradezu aufsogen. Selbst aus einiger Entfernung war der gelangweilte Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht zu verkennen. Es war offensichtlich, dass sie sich eine reichere Auswahl erhofft hatte. Ein Stückchen weiter entfernt stand Bosley, mit Beschlag belegt von der besseren Hälfte des Doktors, einer molligen, überschwänglichen Frau, deren Mund nie stillzustehen schien. Während sie munter plappernd auf ihn einredete, betrachtete er mit finsterer Miene die Menge und blickte immer wieder verstohlen von Sibyl zu dem Wilden und dann zu Rowena, die so tat, als ob sie davon nichts bemerkte.
    Seit ihm eröffnet worden war, dass es sich bei dem Fest um wenig mehr handelte als um eine List, die dazu diente, den Wilden zu befreien, war Bosley in einer fürchterlichen Stimmung. Er hatte getobt und den Beleidigten gespielt, sogar damit gedroht, das Fest abzusagen. Aber Sibyl war unnachgiebig geblieben, denn alles war bereits in die Wege geleitet, und die Musikanten hatten die Hälfte ihrer Bezahlung schon erhalten. Das Bankett fand statt, ob es ihm nun gefiel oder nicht.
    Was auch immer in Bosleys Kopf vor sich gehen mochte, Rowena wusste, es war widerlich und gefährlich. Ja, er war heute viel zu still. Viel zu fügsam.
    Und Sibyl – schien sie denn nicht etwas zu gut gelaunt zu sein? Stand etwa die ganze bisher recht angenehme Zusammenkunft kurz vor einem Debakel? Würde es einen Knall geben wie bei einem Pulverfass, an das man eine glimmende Zündschnur gelegt hatte?
    Nachdem sie sich nicht besonders geschickt aus dem Gespräch mit den beiden Damen verabschiedet hatte, schob Rowena sich langsam näher an die Gruppe von Männern heran, die sich um den Wilden drängte. Voller Dankbarkeit stellte sie fest, dass es genau jene waren, von denen sie gehofft hatte, dass sie sich für ihn interessieren würden – reiche Kaufleute, Gelehrte und Adlige, die sich wünschten, aus den riesigen, unberührten Reichtümern der Neuen Welt ihren Nutzen zu ziehen.
    “Ihr sagt, Euer Volk besitzt kein Land, Master Savage”, fragte ein Baron mit riesigen Besitztümern in Cornwall voller Unglauben. “Wie ist das nur möglich?”
    Der Wilde sah zu ihm hinab und antwortete ihm, wie man zu einem zurückgebliebenen Kind sprechen würde. “Kann denn ein Mann den Himmel oder den Regen besitzen?”, fragte er. “Kann es sein, dass ihm der Mond oder die Sonne gehört? Die Erde ist unsere Mutter. Wenn ein Mann sagen würde, dass irgendein Teil davon ihm allein und sonst niemand gehört, das wäre …” Er zuckte die Schultern und deutete damit an, dass allein schon der Gedanke lächerlich sei. Es war eine ehrliche Antwort, das wusste Rowena. Aber ihr wurde das

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