Wild wie das Meer (German Edition)
Devlin.
Der Butler blinzelte nicht einmal. „Ja, Sir Captain.“
„Ty“, rief Devlin im nächsten Moment erstaunt aus.
Virginia drehte sich um und gewahrte einen Mann im gegenüberliegenden Durchgang.
„Dev.“ Der Mann trat vor, und da erkannte Virginia gleich, dass es sich nur um den Sohn des Earls of Adare handeln konnte. Die Ähnlichkeit – die machtvolle Ausstrahlung, die markanten, ebenmäßigen Gesichtszüge und das dunkle Haar – war verblüffend. Neugierig beobachtete sie, wie die beiden Männer einander umarmten, und kam rasch zu dem Schluss, dass sie mehr miteinander verband – sie waren Freunde. Dann trat der Mann, den Devlin mit Ty angeredet hatte, einen Schritt zurück und schaute Virginia gespannt an.
„Virginia“, sagte Devlin mit einem Lächeln und reichte ihr die Hand.
Sie zögerte, denn einmal mehr sah es so aus, als wäre Devlin ihr Freund. Und plötzlich wünschte sie, er wäre es wirklich – ein wahrer Freund und Vertrauter, auch wenn er ihr als Frau nie seine Liebe entgegenbringen würde. Damit könnte ich leben, dachte sie wehmütig.
Sie trat vor und vermochte sich des Eindrucks nicht zu erwehren, dass der große dunkelhaarige Mann sie eingehend musterte. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Sollte sie jetzt wieder ihre Rolle spielen? Nun stand sie neben Devlin, doch diesmal legte er nicht den Arm um sie. „Miss Virginia Hughes“, sagte er leise.
Ty nickte. Ein Muskel zuckte an seinem Kinn, und sein Blick war unergründlich. Virginia merkte, dass er wütend war, als er sich Devlin zuwandte, aber Ty sagte kein Wort.
„Mein Stiefbruder, Tyrell de Warenne“, stellte Devlin den jungen Mann vor.
Da begriff sie, dass die Maskerade im Kreise der Familie nicht vonnöten war.
Tyrell verbeugte sich höflich vor ihr. „Bitte um Entschuldigung, Miss Hughes. Ihre Schönheit hat mich sprachlos gemacht.“
Erleichtert lächelte sie ihn an, da sie jetzt nicht Captain Devlin O’Neills Geliebte zu spielen brauchte. „Vielen Dank für das Kompliment.“
„Sean hält große Stücke auf Sie. Er lässt Sie herzlich grüßen“, fügte Tyrell hinzu.
Sie verspürte einen leichten Stich in der Brust. „Wie geht es ihm?“
„Nun, gesundheitlich geht es ihm gut“, antwortete Tyrell bedeutungsvoll.
Sie sah ihm in die Augen. Wusste dieser Mann etwa, dass Sean sich in sie verliebt hatte? Und wieso grollte er Devlin? „Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen? In Askeaton?“
„Ja. Vor vierzehn Tagen war ich zum Abendessen dort.“ Tyrell griff in die Falten seines beinahe schwarzen Mantels und holte einen versiegelten Brief hervor. „Für Sie, Miss Hughes.“
Sie nahm das Schreiben entgegen, sah ihren Namen und erkannte Seans Handschrift. Allerdings wusste sie nicht, ob sie besorgt oder erfreut sein sollte. Dann fühlte sie sich von beiden Männern beobachtet und schaute von Tyrell zu Devlin. Er wirkte reserviert. „Haben Sie Dank für den Brief“, sagte sie zu Tyrell. Zu Devlin gewandt sprach sie: „Ich werde mich ein wenig im Garten ergehen, damit du dich mit deinem Bruder in Ruhe austauschen kannst.“
Devlin nickte ihr bloß zu.
Den Brief fest in Händen, eilte Virginia aus der Empfangshalle.
Tyrell sah seinen Stiefbruder an und hielt seinen Zorn nicht länger zurück. „Sie teilt die Gemächer mit dir? In der Stadt kursieren aberwitzige Gerüchte, Dev. Angeblich lebst du offen mit einer Frau in Hampshire zusammen, aber ich kann das nicht glauben.“
„Alles der Reihe nach, Tyrell“, warnte Devlin ihn und betrat den angrenzenden Salon. Die großen Fenster gingen auf die Terrasse hinaus, und dort erblickte er Virginia, die gerade den Brief öffnete.
Zorn flammte in ihm auf.
Ein Liebesbrief, da war er sich ganz sicher, und sie war ganz gerührt gewesen, als Tyrell ihr das Schreiben von Sean überreicht hatte.
„Was, zum Teufel, denkst du dir dabei, Dev?“, bedrängte Tyrell ihn. Nun schaute auch er aus dem Fenster und sah, wie Virginia die Zeilen überflog. Offenbar vermochte sie ihre Hände nicht ruhig zu halten, denn das Schreiben zitterte wie ein Blatt im Wind.
„Ich fürchte, es geht dich nichts an, wen ich in mein Bett hole“, sagte Devlin kühl.
„Du willst mich wohl zum Narren halten!“ Tyrell schaute seinen Stiefbruder fassungslos an. „Sie ist Eastleighs Nichte. Jetzt habe ich die Gewissheit, dass du weiter an deinem eigenen Verderben arbeitest.“
„Der Einzige, der in sein Verderben rennt, ist Eastleigh“, erwiderte Devlin scheinbar
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