Wild wie das Meer (German Edition)
Virginia.“
„Dann wirst du keine Langeweile verspüren“, erwiderte sie keck. Er würde sich tatsächlich alle Mühe geben, ihr ein wahrer Ehemann zu sein! Ein geheimes Glücksgefühl keimte auf. Zugegeben, er hatte sich nicht aus freien Stücken dazu bereit erklärt, aber er hatte ihrem Vorschlag zugestimmt und würde zumindest versuchen, ihr entgegenzukommen.
Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. „Ich möchte dich wissen lassen, dass dir in dieser Ehe jeder Wunsch erfüllt wird. Meinem Verwalter habe ich bereits klargemacht, dass es dir an nichts fehlen darf, und solltest du doch einmal Schwierigkeiten haben, kannst du dich jederzeit an meinen Stiefvater, an Tyrell oder an Sean wenden. Rex und Cliff wirst du ja noch kennenlernen.“
Ihre Hochstimmung schwand ein wenig. Jeder Wunsch würde ihr nicht erfüllt werden, nicht, wenn Sean recht hatte und sie die Frau war, die seinen Bruder retten sollte. Doch für den Augenblick hatte sie genug erreicht und wollte nicht noch darüber nachdenken.
„Danke, Devlin“, sprach sie. Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte sie sich zum Gehen. Ihre bloßen Füße waren ganz kalt geworden auf dem Marmorboden.
„Virginia?“ Sein Tonfall war weicher, und so drehte sie sich hoffnungsvoll zu ihm um.
„Jetzt, da ich Zeit hatte, um über alles nachzudenken, missfällt mir unsere Verbindung keineswegs. Ich denke, wir werden letzten Endes gut miteinander auskommen.“ Er lächelte und schaute sie offen an.
Verblüfft sah sie ihm in die Augen. Sein Lächeln war dünn, aber ehrlich gemeint. Es spiegelte sich in seinen Augen wider und raubte ihr aus einem unerfindlichen Grund den Atem.
Eine flüchtige Röte huschte über seine Wangen, als sei ihm sein kleines Bekenntnis unangenehm.
Virginia wandte sich ab und machte sich bewusst, dass sie anfällig blieb: Ein kleines Lächeln hier, ein warmherziger Blick dort, und schon schöpfte sie neue Hoffnung. Es war wohl nur als Irrsinn zu bezeichnen, in eine so einseitige Verbindung einzuwilligen und einen Mann zu lieben, der sich weigerte, ihre Gefühle zu erwidern, und hartnäckig seine Rache verfolgte. „Aber das Herz des Menschen bleibt unergründlich“, hatte ihre Mutter oft gesagt.
Virginia wusste, dass sie Devlin noch nicht aufgegeben hatte.
Der Hochzeitsmarsch setzte ein.
Devlin verspürte einen Stich in der Brust, und sein Herz begann zu rasen. Er stand vor dem Altar in der Kapelle von Harmon House, dem Stadtsitz des Earls of Adare. Sean, vor drei Tagen aus Irland eingetroffen, war sein Trauzeuge. Die einzigen Gäste waren seine Familienmitglieder – Tyrell, Rex und Cliff standen in der ersten Reihe mit Mary und seiner Stiefschwester Eleanor, die aus Bath zurückgekehrt war. Er drehte sich um, seltsam kurzatmig, und mit einem Mal schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
Er konnte seine Braut nur sprachlos anstarren und war ganz hingerissen von ihrer Erscheinung. Sie war die schönste Frau, die er je erblickt hatte, wie sie ihm langsam auf dem Gang entgegenkam, von Edward geführt, mit ihren großen, violett leuchtenden Augen, die nur auf ihn allein gerichtet waren. Er konnte kaum noch atmen. Er war im Begriff, in die Ehe einzuwilligen, und sein ganzes Leben veränderte sich.
Widerstreitende Gefühle lähmten ihn zusehends. Schrecken packte ihn, und rasch redete er sich ein, dass er ihrem Charme nicht zu erliegen brauchte, dass alles so bleiben würde wie bisher. Bei dem Gedanken, bereits in zwei Tagen fortzumüssen, verspürte er Erleichterung, doch schon im nächsten Moment drückte ihm diese Aussicht schwer aufs Gemüt.
In ihrem weißen schillernden Gewand war sie wie ein engelsgleiches Traumgebilde. Ein Schleier verdeckte ihr Gesicht, ihr langes Haar war mit funkelnden Diamanten durchwirkt und fiel ihr in herrlichen Locken auf die Schultern. Er konnte den Blick nicht von dieser göttlichen Erscheinung wenden. So viele Erinnerungen stiegen in ihm hoch: Er sah, wie Virginia an der Reling der „Americana“ eine Pistole auf ihn richtete, sah Virginia stolz und trotzig in seiner Kajüte, wie sie eine Antwort von ihm verlangte. Dann in Askeaton, als sie ihren Leib darbot und mit sehnsüchtigen Blicken um seine Liebe flehte. Und schließlich am gestrigen Morgen, als sie ihm, nur in ihr Nachthemd gehüllt, eine wahre Ehe angeboten hatte.
Er hatte eine solche Frau nicht verdient.
Aber nun war es zu spät, noch einen Rückzieher zu machen! Er schloss die Augen, und die ersten Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
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