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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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ihrer ganz zu entledigen. Und auch in der großzügig anmutenden Geste, ihr Sweet Briar als Hochzeitsgeschenk zu übergeben, lag ein Anflug von Erpressung. Kein Zweifel, sie würde die Plantage gewiss nicht zurückbekommen, wenn sie sich weigern sollte, in die Ehe einzuwilligen. Natürlich würde sie sich nicht weigern. In wenigen Tagen würde Devlin die Schulden begleichen, und dann wäre sie wieder die rechtmäßige Besitzerin von Sweet Briar. Doch ihre Zukunft sah trostlos aus: Sie vermählte sich mit einem Mann, den sie fürchtete und der nach wie vor auf Vergeltung aus war. Nie würde er ihre Liebe erwidern. Aber ihr blieb ein Trost, denn zumindest hatte sie bald einen vertrauten Zufluchtsort.
    Sie tat ihr Möglichstes, um nicht an ihrem Schicksal zu verzweifeln; sie zog sich zurück. Sie schlief bewusst lange und ging früh zu Bett. Sie vertiefte sich in Bücher. Sie versuchte, an nichts zu denken, und wenn sie doch ins Grübeln kam, lenkte sie ihre Gedanken einfach auf Sweet Briar und dachte an den Tag, an dem ihre Kinder die Plantage erben würden. Sie hielt Abstand zu Devlin, denn sie wusste, dass es schmerzte, in seiner Nähe zu sein. Er machte es ihr leicht, verbrachte er doch die meisten Stunden des Tages entweder an Bord der „Defiance“, um die Fregatte für die Abreise vorzubereiten, oder in der Admiralität, wo er die neuesten Kriegsberichte empfing. Sie nahm an, dass er sie bewusst mied und der bevorstehenden Hochzeit mit gemischten Gefühlen entgegensah. An den meisten Abenden aß er außer Haus, sodass sie das Dinner allein an dem großen Tisch im Speiseraum einnahm. Und wenn sie einander zufällig in dem weitläufigen Gebäude begegneten, so grüßten sie einander höflich wie zwei Fremde, was Virginia als große Erleichterung empfand, obwohl das Verhalten merkwürdig war.
    Dann war da noch Devlins Mutter: Mary de Warenne stellte Virginias Geduld wiederholt auf die Probe. Virginia mochte die Countess zwar, aber da ihre zukünftige Schwiegermutter nun die kleine Hochzeitsfeier plante, die nur im engsten Familienkreis stattfinden sollte, rief sie Virginia bei jeder Kleinigkeit zu sich, damit die Braut auch mit sämtlichen Vorbereitungen zufrieden wäre. Und wenn es einmal nicht um das Hochzeitsessen ging, so musste Virginia unzählige Anproben über sich ergehen lassen. Dann umflatterte Mary de Warennes Hausschneiderin Virginia mit Begeisterung und zeigte ihr ausgesuchte Spitze, teure Seiden- und Satinstoffe, und Virginia nickte nur zu allem. Sie hatte keine Ahnung, wie das Hochzeitskleid aussehen würde, und es interessierte sie auch nicht.
    Virginia saß am Erkerfenster und schaute hinauf in den blauschwarzen Himmel, der langsam dem matten Licht des anbrechenden Morgens wich. Am Abend zuvor hatte leichter Regen eingesetzt, der nun in der schwachen Dämmerung wie Silberfäden schimmerte.
    Aufgewühlt schloss sie die Augen. Morgen war ihr Hochzeitstag. Sie konnte fortlaufen oder bleiben; sie konnte in die Ehe mit einem rachsüchtigen Mann einwilligen oder an eine gemeinsame Zukunft glauben. Eine Flucht war zum Scheitern verurteilt, aber die Zukunft versprach eine Zeit des Kummers zu werden, wenn alles so weiterliefe wie bisher.
    Großer Gott, seit jenem furchtbaren Tag, an dem er sie unterschwellig erpresst hatte, der Verbindung zuzustimmen, hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen. Eine Sache stand unverrückbar für sie fest: Sie wollte keine Ehe mit einem Mann führen, der gemeinhin für sein herzloses Verhalten berüchtigt war. Doch wenn sie an das furchtbare Erlebnis dachte, das einem Jungen von zehn Jahren die Kindheit geraubt hatte, konnte sie nachvollziehen, dass die grausigen Erinnerungen ihm das Herz verhärtet hatten. Der Mann, bei dem sie nach der Soiree der Carews gelegen hatte, hatte kein kaltes Herz gehabt, dessen war sie sich sicher. Deshalb musste sie weiterhin versuchen, seine Seele zu retten; sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben. In diesem Augenblick machte sie sich bewusst, wie viel Mut sie aufbringen müsste, um vor den Altar zu treten.
    Es war an der Zeit, wieder vernünftig miteinander zu sprechen. Sie konnten unmöglich in dieser Weise in einer Ehe zusammenleben, zumindest war das für Virginia undenkbar.
    Ihr Entschluss stand fest. Barfuß durchquerte sie das Schlafgemach und ging geradewegs nach unten. Bestimmt saß Devlin bereits an seinem Schreibtisch in der Bibliothek.
    Die Tür zur Bibliothek stand weit offen, und sie hatte richtig geraten. Ein großes Feuer

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