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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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Hafen.
    Langsam ließ er den Blick über sein Schiff gleiten. Die „Deflance“ war eine Fregatte mit achtunddreißig Geschützen, die für ihre Schnelligkeit und ihr Wendevermögen bekannt war und vor allem für die unerhört wagemutigen und gänzlich unkonventionellen Manöver ihres Kapitäns. Ihm war bewusst, dass andere Schiffe allein beim Anblick seiner Fregatte die Flucht ergriffen, und daher bevorzugte er es, bei Nacht zu fahren. Nun waren Toppmänner hoch oben im Vor- und Hauptmast und refften die Segel. Fünfzig Seesoldaten in roten Uniformen standen in Reih und Glied und warteten auf weitere Befehle, die Musketen geschultert, während die Fregatte sich langsam dem Ankerplatz näherte. Jenseits der Docks, wo zwei stattliche Linienschiffe mit drei Decks, mehrere Schaluppen, ein Schoner und zwei Kriegsschiffe lagen, ragten die Kirchtürme und Dachfirste von London in den blauen Himmel.
    Das vergangene Jahr hatte sich als äußerst lukrativ erwiesen. Er war von der Straße von Gibraltar nach Algier und vom Golf von Biscaya zur portugiesischen Küste gesegelt. Achtundvierzig Schiffe hatte er aufgebracht, die gemäß des Kriegsrechts zur Beute – oder Prise, wie es in Marinekreisen hieß – erklärt wurden, und mehr als fünfhundert fremde Seeleute waren in Gefangenschaft geraten. Seine Pflichten waren zur reinen Routine geworden – die „Deflance“ hatte Versorgungskonvois begleitet, Küstenstreifen überwacht und die Seeblockade gegen Frankreich verstärkt. Des Nachts hatten sie ahnungslose französische Kaperschiffe überfallen und sich tagsüber auf hoher See ausgeruht. Vor einem Jahr war er bereits recht wohlhabend gewesen, aber jetzt, nach dieser letzten Prise – ein amerikanisches Schiff, voll beladen mit Goldbarren –, war er ein sehr vermögender Mann.
    Und schließlich umspielte seine Mundwinkel doch ein kleines Lächeln.
    Aber der Junge in ihm zitterte und blieb ängstlich. Der Junge weigerte sich fortzugehen. Kein Vermögen und keine Macht konnten groß genug sein. Und der Junge brauchte bloß die Lider zu schließen, um die Augen seines Vaters zu sehen, die voller Zorn und blicklos in dem abgetrennten Kopf gewesen waren, dort in einer großen Blutlache auf irischem Boden.
    Drei Jahre nach dem Aufstand bei Wexford war Devlin zur See gegangen, mit der Erlaubnis und Unterstützung des Earls of Adare. Noch im selben Jahr hatten Adare und Devlins Mutter geheiratet. Die kleine Meg war nie gefunden worden. Der Earl erzählte allen und jedem, dass der Junge schon seine Erfahrungen auf See gemacht habe, und daher konnte Devlin seine Karriere als Seeoffiziersanwärter beginnen und brauchte nicht als niedrigster Schiffsjunge unter Deck zu schuften. Rasch stieg er in den Rang eines Leutnants auf und diente für kurze Zeit auf Lord Nelsons Flaggschiff. In der Schlacht von Trafalgar wurde der Kapitän des Kanonenboots, auf dem er diente, tödlich getroffen; sogleich übernahm Devlin das Kommando. Das kleine Schiff verfügte zwar nur über zehn Geschütze, war jedoch sehr schnell, und so gelang es Devlin, die „Gazelle“ an die Leeseite einer französischen Fregatte zu manövrieren. Da das gegnerische Schiff viel höher war, flogen die Breitseiten über die Masten der „Gazelle“ hinweg. Aus kürzester Entfernung zerfetzten die englischen Geschütze die Decks und die Takelage und zerstörten das weitaus größere Schiff sofort. Stolz hatte Devlin die feindliche Prise nach Leghorn geschleppt und war kurze Zeit später zum Kapitän ernannt worden. Von da an hatte er einen schnellen Schoner, die „Loretta“, befehligt.
    Damals war er gerade achtzehn Jahre alt gewesen.
    Seither hatte es viele Schlachten und unzählige aufgebrachte feindliche Schiffe gegeben. Doch die größte Prise von allen stand ihm noch bevor, und sie befand sich nicht auf den Weltmeeren.
    Sein Zorn, der stets tief in ihm wütete, den er aber für gewöhnlich zu beherrschen vermochte, war aufs Neue angefacht. Doch Devlin schenkte dieser Regung keinerlei Beachtung. Anstatt an den fernen Tag der Abrechnung mit Harold Hughes, dem jetzigen Earl of Eastleigh, zu denken, beobachtete er, wie die „Defiance“ den Anlegeplatz zwischen einem Schoner und einem Kriegsschiff erreichte. Er nickte seinem Leutnant zu, einem kräftigen rothaarigen Schotten namens MacDonnell. Daraufhin blies Mac in das Hörn, dessen Signal die gesamte Crew eine Woche vom Dienst entband. Ein feines Lächeln kam in Devlins Gesicht, als seine jubelnden und laut

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