Wild wie das Meer (German Edition)
einst ihrer Mutter gehört hatte.
Mr. King lächelte, bedeutete ihr, Platz zu nehmen, und bot ihr Tee an. Virginia lehnte dankend ab. „Und, wie gefällt dir das Stadtleben, Virginia?“, erkundigte er sich und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Ihre Blicke trafen sich, und Virginia glaubte, Besorgnis in den Augen des Bankiers zu entdecken. Offenbar sah man ihr an, wie lange sie um ihre armen Eltern getrauert hatte, und jetzt drückten sie noch die Sorgen über die finanzielle Situation ihres Vaters schwer nieder.
Virginia zuckte die Schultern. „Ich finde es ... ansprechend. Aber Sie wissen ja, wie sehr mein Herz an Sweet Briar hängt – es gibt keinen Ort, an dem ich lieber wäre.“
Charles King blickte sie einen Moment an, dann setzte er eine sehr ernste Miene auf. „Du bist eine kluge junge Frau, und daher gehe ich davon aus, dass du weißt, dass dein Onkel die Plantage verkauft.“
Virginia wollte sich schon vorbeugen und zornig ausrufen, dass der Earl kein Recht dazu habe. Doch sie blieb reglos sitzen – sie wagte nicht einmal zu atmen –, bis ihr aufwallender Zorn sich wieder gelegt hatte. Aber trotzdem sagte sie, was sie dachte: „Dazu hat er kein Recht.“
„Ich fürchte, dieses Recht steht ihm zu. Immerhin ist er dein Vormund.“
Virginia saß steif auf ihrem Stuhl. „Mr. King, ich bin gekommen, um Sie um einen Kredit zu bitten, damit ich die Schulden meines Vaters begleichen und den Verkauf von Sweet Briar verhindern kann.“
Der Bankier blinzelte.
Sie lächelte ihn unsicher an. „Von klein auf habe ich meinem Vater bei der Bewirtschaftung der Plantage geholfen. Niemand vermag Tabak besser zu pflanzen, zu ernten und zu verkaufen als ich. Ich versichere Ihnen, Sir, dass ich Ihnen den Kredit samt Zinsen so rasch wie möglich zurückzahle. Ich ...“
„Virginia“, warf Charles King beschwichtigend ein.
Panik ergriff sie. Sie sprang auf. „Auch wenn ich eine Frau und erst achtzehn Jahre alt bin, so weiß ich doch, wie Sweet Briar geführt wird! Niemand außer meinem Vater könnte das besser als ich! Ich schwöre Ihnen, Sir, ich zahle Ihnen jeden Cent zurück! Wie viel Geld brauchte ich, um die Schulden meines Vaters zu begleichen?“, rief sie verzweifelt.
Mr. King bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. „Mein liebes Kind, seine Schulden belaufen sich auf schwindelerregende zweiundzwanzigtausend Dollar.“
Der Schreck war so groß, dass Virginia glaubte, ihr würde das Herz stehen bleiben. Die Knie waren ihr weich geworden, und so sank sie kraftlos zurück auf den Lehnstuhl. „Nein“, hauchte sie schwach.
„Ich habe lange mit dem Agenten deines Onkels gesprochen. Er heißt Robert Blount, und ich glaube, er wird bald zurück nach England segeln, wenn alle Angelegenheiten geregelt sind. Sweet Briar ist keine lukrative Plantage, Virginia“, fuhr er behutsam fort. „Dein Vater musste herbe Rückschläge hinnehmen, Jahr um Jahr. Selbst wenn ich so leichtfertig wäre, einer jungen und unerfahrenen Dame eine solche Summe zu leihen, so hättest du keine Möglichkeit, mir das Geld jemals zurückzuzahlen – nicht durch den Verkauf des Tabaks. Es tut mir leid. Sweet Briar zu verkaufen ist die einzig kluge und durchführbare Option.“
Mühsam erhob Virginia sich wieder, tief getroffen und verzweifelt. „Nein. Ich kann den Verkauf nicht zulassen. Sweet Briar gehört mir.“
Auch Mr. King war aufgestanden. „Ich weiß, wie sehr dich das mitnimmt. Es geht mich zwar nichts an, warum du nicht in der Schule bist, aber du gehörst nun dorthin. Obschon ich, wenn du es wünschst, eine Verbindung für dich arrangieren könnte, eine gute. Ich könnte mit deinem Onkel darüber sprechen. Dadurch würden deine Probleme gewiss gelöst...“
„Solange Sie mich nicht mit einem ausgesprochen wohlhabenden Mann vermählen, habe ich nichts davon!“, rief Virginia aus. „Ich darf nicht zulassen, dass Sweet Briar verkauft wird! Warum wollen Sie mir nicht helfen? Ich würde Ihnen alles zurückzahlen, irgendwie, eines Tages! Ich habe mein Wort noch nie gebrochen, Sir! Verstehen Sie denn nicht, dass dies das Einzige ist, was mir auf der Welt geblieben ist?“
Er blickte sie unverwandt an. „Vor dir liegt eine verheißungsvolle Zukunft, meine Liebe. Das verspreche ich dir.“
Sie schloss die Augen, am ganzen Leib bebend. Dann sah sie dem Bankier in die Augen. „Bitte geben Sie mir das Geld. Wenn Sie meinen Vater und meine Mutter gemocht haben, dann helfen Sie mir jetzt. Bitte!“
„Es tut
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