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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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zahllosen Kanonenrohren schwoll an, als die „Defiance“ das Feuer eröffnete. Die vorher ruhige See war mit einem Mal wie aufgewühlt, als die „Americana“ unter zahlreichen Treffern heftig stieß und bockte. Und als jemand schrie, vernahm Virginia ein furchtbares Knarren und Ächzen über sich.
    Sie drehte sich um, schaute hinauf und stieß einen Schrei aus.
    Horatio gab noch den Befehl zum Feuern, aber Virginia sah, wie einer der drei Masten der „Americana“ samt Takelage langsam kippte und dröhnend auf die eigene Geschützreihe krachte. Erneut wurden mehrere Kanonen auf der „Defiance“ abgefeuert. Virginia zögerte nicht. Mit gerafften Röcken eilte sie zu den verletzten Männern. Drei waren unter dem geborstenen Mast eingeklemmt, lebten aber noch. Ein Vierter war tot. Verzweifelt versuchte sie, den Mast zu bewegen, aber es war nutzlos. Rasch ergriff sie die Pistole des toten Seemanns und eilte zurück zu der Luke, die nach unten führte.
    Weitere Kanonenschläge hatten die Schiffswände vibrieren lassen, und Virginia hatte deutlich gehört, wie Holz barst, denn sie waren wieder getroffen worden. Sie war die Leiter hinabgeklettert, zu ihrer kleinen Kabine geeilt und hatte durch das Bullauge auf das angreifende Schiff gestarrt. Die „Americana“ schlingerte gefährlich, sodass Virginia beinahe von ihrer Liege geschleudert wurde.
    Wie war es nur dazu gekommen?, fragte sie sich erschrocken. Wer würde ein unschuldiges, kaum bewaffnetes Handelsschiff angreifen? Und was würde nun geschehen? Was wollte dieser furchtbare Kapitän von ihnen? Gedachte er gar, das Schiff zu versenken? Aber das ergab doch keinen Sinn!
    Unweigerlich schweifte ihr Blick zurück zum Quarterdeck, wo der bedrohliche Kommandant so reglos stand, als wäre er in Bronze gegossen. Sie konnte genau sehen, dass er die „Americana“ scharf ins Auge fasste. Welcher Mann konnte so gnadenlos vorgehen, so rücksichtslos? Virginia erschauerte. Der Erste Offizier hatte ihn als die Geißel der Meere bezeichnet.
    Dann versteifte sie sich in ihrer quälenden Angst. Eben noch hatte auf den Decks der „Defiance“ ein wildes Treiben geherrscht, doch jetzt waren sowohl die Kanoniere als auch die Männer in den Wanten still. Allein einige Matrosen kletterten über Strickleitern in zwei Ruderboote, die am Rumpf der Fregatte festgemacht waren. Entsetzt fiel Virginias Blick wieder auf den Kapitän; er entsandte Leute, die das Schiff entern sollten!
    Mittlerweile herrschte auf der „Americana“ Totenstille. Virginia glaubte zu wissen, dass Kapitän Horatio sich nicht ergeben würde, und sie hätte genauso gehandelt, wenn sie die Befehlsgewalt gehabt hätte. Sie untersuchte die Pistole und sah, dass sie geladen war.
    Mit der Waffe in der Hand erklomm sie das Hauptdeck und sah, dass das erste Ruderboot herankam. O’Neill stand vor seinen Männern am Bug und stemmte sich breitbeinig gegen den Wellengang. Virginia zauderte. Warum, um alles in der Welt, schoss denn niemand auf ihn?
    Hätte sie eine Muskete, wäre er jetzt ein toter Mann.
    Ihre Finger zuckten, die Handflächen wurden feucht. Sie wusste nicht, welche Reichweite diese Pistole hatte, aber sie ahnte schon, dass sie nicht groß sein konnte. Dennoch, der fremde Kapitän ließ sich näher und näher heranrudern, und warum ließ Horatio nicht das Feuer eröffnen?
    Virginia konnte es nicht ertragen. Sie hastete zur Reling und zielte langsam und genau.
    Als habe er sie erahnt, drehte der fremde Kapitän den Kopf und sah genau zu ihr herüber.
    Gut, dachte sie grimmig, und der Schuss löste sich.
    Doch die Kugel verfehlte ihr Ziel und fiel unmittelbar vor dem Boot ins Wasser. Zu spät machte sie sich bewusst, dass sie ihn bestimmt getroffen hätte, wenn sie das Boot noch ein wenig hätte herankommen lassen.
    Er starrte in ihre Richtung.
    Virginia wandte sich von der Bordwand ab und eilte zu der Luke, durch die für gewöhnlich nur die Seeleute stiegen. Geschwind kletterte sie die Sprossen hinunter und merkte, dass sie nun in dem engen und übel riechenden Mannschaftsquartier war sie erschrak kurz, wie furchtbar es hier unter Deck war. Dann gewahrte sie noch eine weitere Luke am anderen Ende des Raums. Sie hob sie an und kletterte ein Stück unter die Wasserlinie.
    Es behagte ihr nicht, so weit unten zu sein. Sie rang nach Luft und bekam Platzangst, aber sie kämpfte dagegen an und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Nicht weit entfernt von der Leiter befand sich ein niedriger Durchgang, hinter dem

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