Wild wie das Meer (German Edition)
Schlag würde ausholen können. Ihr Blick fiel auf seinen Hosenbund, und sie beschloss, ihn zwischen den Beinen zu treffen.
Der Laderaum war so eng, dass der Fremde mit zwei Schritten bei ihr war. Virginias Herz pochte so wild in ihrer Brust, dass es schon schmerzte. Sie versteifte sich, als er den Arm nach ihr ausstreckte, und sowie seine große Hand sich um ihren linken Arm schloss, holte sie zum Schlag mit der Pistole aus.
Er hatte katzenartige Reflexe. Geschickt wich er aus, sodass der Knauf der Waffe bloß auf einen harten Oberschenkel fuhr und dort wirkungslos abglitt. Er verstärkte den Druck auf ihren Arm, und sie schrie vor Schmerz auf.
„Das, Mademoiselle, war nun wirklich wenig damenhaft.“
Tränen verschleierten ihre Sicht.
„Aber was kann ich schon von einer Frau erwarten, die auf mich geschossen hat?“
Sie blinzelte eine Träne fort und sah in seine blassen, glänzlosen Augen. Also wusste er es doch! Einem Sprichwort zufolge waren die Augen die Fenster zur Seele. Wenn dem so war, dann besaß dieser Mann keine Seele. „Was werden Sie mit mir machen?“, wisperte sie.
„Das sagte ich bereits. Sie werden auf mein Schiff gebracht.“ Er nahm ihr die Pistole ab und schleuderte sie achtlos fort. Dann deutete er auf die Leiter, wobei er Virginias Arm nicht losließ.
Virginia rührte sich nicht von der Stelle. „Warum? Ich bin nicht hübsch.“
Er horchte auf, und dann verengten sich seine Augen, als er begriff. „Warum? Da Sie mein Gast sein werden, Miss Hughes.“
Sie rang förmlich nach Luft, als sie ihren Namen aus dem Munde dieses Mannes vernahm, und eine lähmende Furcht kroch in ihr hoch. Im nächsten Augenblick fiel ihr jedoch ein, dass er ihren Namen gewiss vom Kapitän der „Americana“ oder einem Crewmitglied erfahren hatte. „Ihr Gast? Oder Ihr Opfer?“, flüsterte sie.
„Gott, was sind Sie doch trotzig in Ihrem Alter!“ Er zog sie fort, und ihr blieb nichts anderes übrig, als einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ihre nassen Röcke klebten ihr schon nach wenigen Schritten an den Beinen und machten es ihr schwer, das Gleichgewicht zu halten. „Können Sie die Leiter hochklettern, oder muss ich Sie über die Schulter legen?“, fragte er.
Nein, wenn sie es irgendwie verhindern konnte, wollte sie sich nicht grob von ihm anfassen lassen. Dennoch hörte sie sich selbst sagen: „Captain, ich bin auf der Reise nach London. Ich habe dort dringend etwas zu erledigen, daher müssen Sie mich weiterfahren lassen!“
Er streckte den Arm nach ihr aus, mit der Absicht, sie nach oben zu tragen, denn seine Geduld schien am Ende zu sein.
Virginia wirbelte herum, umklammerte die Leiter, raffte die nassen Röcke und stieg die Leiter hinauf. Als sie keine Bewegung hinter sich wahrnahm, überkam sie mit einem Mal eine böse Vorahnung. Auf einer der oberen Sprossen hielt sie inne und schaute hinunter.
Er musterte ihre Waden und Fußknöchel, die unterhalb ihrer langen, spitzenbesetzten Pantalons gut zur Geltung kamen. Ein seltsamer Ausdruck trat in seine Augen, der ihr Herz vor Angst schneller pochen ließ.
Dann hob er den Blick. „Ich habe seit Jahren keine Frau mehr in Pantalons gesehen.“
Eine flüchtige Röte huschte über ihre Wangen, und eine gehässige Bemerkung von Sarah Lewis aus der Schulzeit in Richmond kam ihr in den Sinn: „Virginia, ich hasse es, diejenige zu sein, die es dir sagen muss, aber diese Dinger entsprechen schon lange nicht mehr der Mode!“
Die Hitze in ihren Wangen nahm zu. Sie merkte, dass auch er zu klettern begann, und daher stieg sie aus der Luke und betrat das Mannschaftsquartier.
Sie begann zu würgen, als sie an den niedrigen Kojen vorbeihastete, ständig den Feind im Nacken, der sie nicht entrinnen lassen würde. Sie musste fliehen, aber konnte ihr das überhaupt gelingen? Entweder gelänge ihr die Flucht, oder sie würde zur Dirne dieses Mannes.
Sie erreichten eine weitere Leiter. Virginia wollte nicht als Erste hinaufsteigen, doch der Pirat drückte sie sacht vorwärts. „Steigen Sie hinauf, Miss Hughes.“
Sie nahm all ihren Mut zusammen und drehte sich zu ihm um. „Mir ist klar, dass Sie kein Gentleman sind, Sir, aber schauen Sie gefälligst woanders hin.“
Verblüffung zeichnete sich auf seiner Miene ab, bis er die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln verzog, und für einen Moment glaubte Virginia, er würde kichern. „Miss Hughes, ich bin nicht an Ihren Reizen interessiert.“
„Umso besser“, entgegnete sie schroff, als ihr Zorn
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