Wild wie das Meer (German Edition)
die Flucht der Gefangenen, Sir“, rief er und stand mühsam auf.
Devlin juckte es in den Fingern, dem Mann einen Schlag zu versetzen, aber er hielt sich zurück. „Sag mir genau, was passiert ist“, verlangte er und warf Gus ein Hemd und Breeches zu.
Hastig zog Gus die Kleidungsstücke an und errötete, als er sprach. Als er geendet hatte, sagte Devlin: „Sie werden mir helfen, Miss Hughes zu finden, Gus, und wenn sie sich wieder in meiner Obhut befindet, werden Sie die Wache ablösen. Solange wir hier vor Anker liegen, ist es Ihnen verboten, das Schiff zu verlassen, bis ich etwas anderes sage.“
„Ja, Sir“, murmelte Gus, aber er wirkte erleichtert, als habe er mit Schlimmerem gerechnet.
Gus war ein guter Seemann und ein sehr tapferer Bursche dazu. Im Grunde gab Devlin ihm keine Schuld an Virginias Entkommen. Es hatte keinen Verrat gegeben. Virginia Hughes war nur einfach viel cleverer als der junge Däne.
„Und wie wollen Sie sie aufspüren?“, fragte Mr. Harvey, der in der Tür stand und alles mitangehört hatte. „Mittlerweile dürfte sie schon längst auf halbem Weg zum nächsten Dorf sein.“
Ein kaltes Lächeln umspielte Devlins Mund. „Da irren Sie sich, mein Bester. Es gibt nur eine Möglichkeit für Miss Hughes, nach London zu kommen. Sie muss ein Schiff nehmen.“
Der Arzt hob die Brauen.
„Dieses Spiel können zwei spielen“, fuhr Devlin fort und wandte sich Gus zu. „Sagen Sie den Männern in den Docks Bescheid. Meine widerspenstige Verlobte versucht, eine Überfahrt nach London zu finden. Und demjenigen, der sie mir, dem verzweifelten Bräutigam, zurückbringt, wird eine stattliche Belohnung zuteil. Mit dem Bürgermeister und dem Stadtrat werde ich selbst sprechen.“
Gus eilte davon, um die Order auszuführen.
Devlin verließ die Kajüte. Der Arzt folgte ihm langsam und murmelte: „Armes Ding, sie hat keine Chance.“
7. KAPITEL
I irgendetwas stimmte nicht.
Virginia kauerte auf dem Heuboden einer düsteren Scheune, in der es süßlich roch, und spähte aus einem schmutzigen Fenster in die enge, verschlungene Straße. Die Nacht war angebrochen, und inzwischen war die Straße leer. Seit mehreren Stunden versteckte sie sich nun schon in dieser Scheune, die irgendwo im Stadtzentrum hinter dem Laden eines Zimmermanns lag. Während der ganzen Zeit hatte sie nur gelegentlich ein paar Fußgänger, hier und da einige Matrosen und zwei Fuhrwerke gesehen. Warum waren keine Suchtrupps unterwegs, um sie aufzuspüren?
Ihr kluger Entführer musste doch schon kurz nach ihrer Flucht bemerkt haben, dass sie nicht mehr in der Kajüte war. Und gewiss hatte er seine Leute in Gruppen eingeteilt, um die ganze Stadt zu durchkämmen. Aber sie hatte Suchtrupps weder gehört noch gesehen, und nun konnte sie von ihrem Versteck aus Gelächter und Musik aus den Hafenschenken hören.
Was hatte das zu bedeuten?
Virginia erhob sich, da ihre Knie schmerzten, und streckte die müden Glieder. Sie musste ein Schiff finden, das nach London oder zumindest zu irgendeinem Hafen in England segelte. Was hätte sie sonst noch für Möglichkeiten gehabt, nach London zu gelangen? Irland zu Fuß zu durchqueren, noch dazu ohne einen Penny in der Tasche, wäre absurd.
Virginia stieg die Leiter hinunter und stahl sich aus der Scheune. Sie eilte zum Kai, immer in der Angst, dass O’Neill jeden Augenblick um eine Häuserecke biegen könnte, ein böses Lächeln auf seinen verwirrend schönen Zügen. Aber weder O’Neill noch ein Suchtrupp tauchte auf.
Das war wirklich höchst sonderbar.
Virginias Unruhe und Furcht nahmen noch zu, als sie die Docks erblickte. In Limerick beleuchteten ein paar Öllampen die öffentlichen Straßen, aber der Hafen lag fast ganz im Schatten, nur vereinzelt brannten Fackeln. Doch das durfte sie nicht aufhalten. Sie gewahrte die dunklen Umrisse der „Defiance“, die sanft schaukelnd an ihrem Anlegeplatz lag.
Plötzlich zuckte sie zusammen, als sie Stimmen hinter sich vernahm. Instinktiv duckte sie sich und drückte sich gegen eine Ladentür, während sie versuchte, die Sprecher auf der Straße auszumachen.
Es handelte sich offenbar um zwei betrunkene Seeleute. All ihren Mut zusammennehmend, löste sie sich aus dem Schatten des Hauses und schlenderte auf die Matrosen zu. Mit verstellter Stimme rief sie: „Hey, Leute. Ich suche ein Schiff, um nach London zu kommen.“ Sie hoffte, den Cockney-Akzent einigermaßen nachzuahmen. „Wisst ihr, wer diesen Kurs einschlägt?“
Die Männer blieben
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