Wild wie das Meer (German Edition)
fallen lassen würde.
Er hatte gesagt, er müsse Sean und die anderen schützen. Wovor beschützen? Dass man sie nicht des Landesverrats überführte?
Virginia stand in ihrem Baumwollunterhemd am offenen Fenster und hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihr Haar zu einem Zopf zu flechten. Das Tablett mit dem Abendessen war schon längst abgeholt worden. Der Nachthimmel erstrahlte im Glanz zahlloser Sterne. Sie wusste, dass sie in Richtung des Flusses schaute, obwohl sie die langsam dahinfließenden Wasser nicht sehen konnte. Dahinter lagen der Atlantische Ozean und ihre Heimat.
Eine furchtbare Schwere lastete auf ihren Schultern. Sie sehnte sich nach ihrem Zuhause. Natürlich musste sich Heimweh einstellen, denn seit mehr als einem Jahr hatte sie nicht mehr allein bestimmen dürfen, wohin sie ging und was sie tat. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie frei und ungebunden sie aufgewachsen war.
Es klopfte an die Tür.
Virginia rechnete mit Connor, der die ganze Zeit über auf dem Korridor saß und sie wie eine Straffällige bewachte. Vielleicht wollte er ihr nur mitteilen, dass er sich für die Nacht zurückzog. Sofort schoss es ihr durch den Kopf, dass sie dann aus dem Fenster klettern, die Stute stehlen und so weit wie irgend möglich fortreiten könnte.
Aber Virginia blieb gar keine Zeit, um auf das Klopfen zu antworten, denn Devlin betrat den Raum.
Für einen Moment war sie entsetzt. „Hinaus!“, rief sie außer sich vor Zorn.
Er starrte sie an, mit einer so unbeweglichen Miene, dass sie seine Gedanken nicht zu erraten vermochte. „Es gibt da einiges zu klären“, begann er behutsam.
Sie wich zurück zum Bett, suchte nach dem erstbesten Gegenstand auf dem Nachttisch und ertastete die Wasserkaraffe. Fest umschloss sie den Griff und war kurz davor, die Karaffe nach Devlin zu werfen. In ihrer blinden Wut hoffte sie, ihn am Kopf zu treffen.
Doch er machte einen Satz nach vorne, bevor sie zum Wurf ausholen konnte, und packte ihr Handgelenk, dass sie vor Schmerz aufschrie. „Lassen Sie die Karaffe los“, warnte er sie.
Wütend stieß sie hervor: „Erst wenn ich sie auf Ihrem Kopf zertrümmert habe!“ Sie versuchte, sich von ihm loszureißen. Wieder bestürmten sie die Bilder von ihm und Fiona, wie die beiden sich nackt in den Laken wälzten.
„Hören Sie auf, Virginia“, mahnte er leise und drückte noch fester zu.
Sie funkelte ihn böse an und fürchtete, jeden Moment in Tränen auszubrechen. „Also gut.“
„Wie ich sehe, sind Sie immer noch zornig“, stellte er fest, lockerte den Griff, gab Virginia aber noch nicht frei.
Ihre Antwort war ein verächtliches Schnauben. „Wie klug Sie doch sind, Captain. Und jetzt lassen Sie mich gefälligst los, Sie tun mir weh.“
„Sie klingen auch verbittert“, stellte er fest, und da sah sie, wie sein Blick kurz auf das mit Rüschen besetzte Mieder fiel. Das Aufflammen in seinen Augen war kaum wahrnehmbar, aber sie wusste, was in ihm vorging – sein Blick war über ihre Brüste gehuscht.
Virginia versuchte sich mit einem Ruck loszureißen, hatte jedoch keinen Erfolg. „Warum sollte ich verbittert sein? Ich befand mich nur auf dem Weg nach London, um mich um eine äußerst wichtige persönliche Angelegenheit zu kümmern, als man mich entführte. Seitdem war ich in Ihrer Kajüte eingesperrt und jetzt in diesem Zimmer. Verbitterung? Keine Spur“, spöttelte sie.
„Ich muss mit Ihnen sprechen. Falls Sie in Erwägung ziehen, mich erneut anzugreifen, schließe ich Sie eine ganze Woche in diesem Zimmer ein.“
Sie sah ihm in die kalten Augen. „Sie sind genau der Bastard, für den Sie jeder hält.“
Er zuckte gleichgültig die Achseln und ließ Virginia los.
Sie wich rasch zurück und stieß gegen den Bettpfosten. Es behagte ihr gar nicht, zwischen diesem Mann und dem Bett zu stehen. „Und jetzt verschwinden Sie aus meinem Schlafzimmer, O’Neill!“
„Das werde ich nicht tun.“ Er musterte sie eingehend, mit harten Lippen.
„Fiona wartet bestimmt schon.“ Kaum waren ihr die beißenden Worte herausgerutscht, zuckte sie zusammen und wünschte, sie hätte den Mund gehalten.
Er horchte auf, und sie sah Erstaunen in seinen Augen.
Mit erhitzten Wangen stahl sie sich an ihm vorbei, ging hinüber zum Kamin und gab vor, das Spiel der Flammen zu beobachten. Oh, warum hatte sie das nur gesagt? Jetzt hielt er sie womöglich für eifersüchtig, was sie gar nicht war. Sie war froh, dass er wieder mit seiner Geliebten zusammen war.
„Was haben Sie da
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