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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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niemandem, als wäre er eine Insel, als brauchte er keine Vertrauten, keine Liebe, keine Freude.“ Mary schloss die Augen, und Tränen liefen ihr über die Wangen. „Ich habe so viel für ihn gebetet.“
    Virginia verspürte das Verlangen, auch ihren Tränen freien Lauf zu lassen. „Vielleicht braucht er weder Vertraute noch Liebe.“
    „Er mag kalt auf Sie wirken“, sprach Mary und suchte Virginias Blick, „aber er ist ein Mensch. In seiner Brust schlägt ein Herz. Natürlich braucht auch er die Nähe anderer Menschen und Liebe. Wir alle brauchen das.“ Mary ergriff Virginias Hände. „Er ist nicht grausam. Oder etwa doch?“, fragte sie unsicher nach.
    Virginia war einen langen Moment nicht in der Lage, etwas darauf zu erwidern, und blickte der Countess starr in die Augen. Schließlich brachte sie im Flüsterton hervor: „Nicht in der Weise, die Sie meinen.“
    „Oh, großer Gott, was hat er getan?“, rief Mary.
    „Mir geht es gut“, log Virginia, von Schmerz durchzuckt.
    Mary warf einen forschenden Blick über ihr Gesicht, so ängstlich und verzweifelt, wie es nur eine Mutter kann. „Ich habe meine Söhne so erzogen, dass sie Frauen mit Respekt begegnen“, sagte sie mit belegter Stimme. „Hat er sich Ihnen gegenüber respektvoll benommen?“
    Virginia wusste nicht, was sie antworten sollte. Hätte die Countess ihr die Frage vor Devlins Abreise gestellt, hätte sie ohne zu zögern mit Ja geantwortet. Doch jetzt kehrte all der Schmerz zurück, rauschte ihr gleichsam in den Ohren und raubte ihr für einen Augenblick die Sicht. Er hatte sie verlassen, ohne Lebewohl zu sagen, und wenn das nicht grausam war, was war es dann?
    Mary ahnte es. Zitternd presste sie eine Hand an ihr Herz und wandte sich halb ab. „Wenn ich ihn nicht so liebte, würde ich ihn verstoßen – mein eigen Fleisch und Blut.“ Abrupt drehte sie sich wieder zu Virginia. „Erwarten Sie ein Kind von ihm?“
    Es gab nichts mehr zu leugnen. Virginia schüttelte den Kopf.
    Mary kam näher und berührte ihre Wange. „Sie sind eine so bezaubernde junge Frau“, bekannte sie. „Lieben Sie ihn?“
    Virginia erschrak. Dann sagte sie langsam: „Bitte, ich kann darauf nicht antworten!“ Sie wandte sich von der Countess ab und war bereits im Begriff, ins Haus zurückzueilen, als sie sich doch noch besann. „Lady de Warenne, er hat mir nicht wehgetan. Ich glaube, er hat versucht, so zu sein, wie Sie ihn sich wünschen würden. Ja, ich weiß, dass er sich bemüht hat. Aber es ... ist einfach geschehen!“ Sie spürte, dass sie ihn im Augenblick verteidigte, und schüttelte den Kopf. Es war ihr unbegreiflich, warum sie jetzt Partei für einen Mann ergriff, der sie so lieblos verlassen hatte. „Ich weiß gar nicht mehr, was ich denken soll! Ich weiß nur, dass ich nach Hause muss.“ Mit diesen Worten lief sie zurück ins Haus, murmelte eine Entschuldigung und eilte an Sean und dem Earl vorbei. Dann floh sie in die Sicherheit ihres Schlafgemachs.

13. KAPITEL
    D evlin schaute hinauf in den grau verhangenen Himmel.
    Vor ihm lag der Weg von Limerick nach Askeaton, der zwischen abgeernteten Feldern und sanft ansteigenden, mit Steinmauern überzogenen Anhöhen verschwand. Einen langen Moment blickte er starr in die Ferne, und als er auf sein Pferd stieg, gab er sich große Mühe, keine Gefühle zuzulassen. Es gelang ihm tatsächlich. Diesmal überkam ihn keine wohlige Wärme, wenn er an sein Zuhause dachte. Es ging ihm lediglich um einen Auftrag, den es zu erfüllen galt.
    Leichter Nieselregen setzte ein. Devlin ritt auf einen Acker zu, dessen Scholle vor Kurzem umgepflügt worden war. Gleich darauf gewahrte er zwei Pferde am Feldrand und suchte die Umgebung nach den Reitern ab. Als er am Ufer eines Baches zwei Gestalten entdeckte, die sich offenbar unterhielten, brachte er seinen Wallach zum Stehen. Einer der beiden Reiter war so zierlich wie ein Kind – oder eine kleine Frau –, und er wusste gleich, um wen es sich handelte.
    Unwillkürlich verspannte er sich. Er presste die Oberschenkel so fest um den Leib des Pferdes, dass es loslief, doch Devlin riss an den Zügeln und wendete es. Er vermochte den Blick nicht von seinem Bruder und Virginia loszureißen.
    Die ganze Zeit über hatte er seine Gedanken unter Kontrolle gehabt. Er hatte an nichts anderes als seinen Auftrag gedacht und während der letzten fünf Monate stets nur sein Schiff, seine Leute und den Gegner vor Augen gehabt. Mit eisernem Willen hatte er jede unliebsame Erinnerung

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