Wild wie das Meer (German Edition)
zurückgedrängt.
Nur aus einem einzigen Grund war er zurückgekehrt, und er hatte die Gewissheit, über eine vortreffliche Selbstbeherrschung zu verfügen.
Entschlossen riss er den Wallach herum und ritt in gestrecktem Galopp nach Askeaton.
„Das ist ein geheimes Rezept“, sagte Virginia mit einem Lächeln, als sie das Haus betraten. „Nicht von meiner Mutter, sondern von Tillies Urgroßmutter.“
„Tillie? Das ist Ihre beste Freundin, die Sklavin, nicht wahr?“, fragte Sean.
Virginia nickte, ihre Wangen waren gerötet von dem schnellen Ritt. Sie wollte noch etwas sagen, doch in diesem Augenblick gewahrte sie Devlin. Er stand in der Eingangshalle.
Abrupt blieb sie stehen, sodass Sean mit ihr zusammenstieß.
Virginia nahm das nicht wahr. Ihr Herz schien einen Moment lang auszusetzen, und sie wagte kaum zu atmen. Er war zurückgekehrt.
Devlin hatte eine lässige Haltung eingenommen und sah sie ruhig und mit gleichgültiger Miene an, als habe er mit ihrem Kommen gerechnet. Unverwandt haftete sein Blick auf ihrem Gesicht.
Virginia fiel das Atmen schwer. Sie begann zu zittern.
Oh Gott, was sollte sie jetzt tun?
„Devlin“, sagte Sean halblaut, ergriff Virginias Arm und gab ihr Halt. „Wir hatten ja keine Ahnung, dass du zurück bist.“ Er ließ Virginia nicht los, denn er schien zu ahnen, dass sie auf seine stützende Hand angewiesen war.
Devlin blieb ihm eine Antwort schuldig.
Halbherzig blickte Virginia auf und sah, dass Devlin ein Lächeln aufgesetzt hatte. Ihre Blicke trafen sich.
Er hatte sich nicht verändert. Nach wie vor war er verführerisch und anziehend; er würde sie immer in seinen Bann schlagen. Hätte er sich doch bloß verändert...
Sean starrte Devlin mit angespannter Miene an. „Du hast uns nichts von deiner Ankunft mitgeteilt.“
„Mir war nicht bewusst, dass ich dich vor meiner Rückkehr hätte warnen müssen“, entgegnete Devlin ruhig.
Virginia vermochte den Blick nicht von ihm zu wenden. Beinahe jeder einzelne Augenblick, den sie allein mit ihm verbracht hatte, kehrte schlagartig in ihr Bewusstsein zurück: von der ersten Auseinandersetzung in der Enge seiner Kajüte bis zu jenem Moment, als er das Schlafzimmer ohne ein Lebewohl verlassen hatte.
Es tut mir leid, wenn ich dir wehgetan habe, hatte er gesagt.
„Hallo, Virginia“, sagte er jetzt.
Da sie kein Wort herausbrachte, nickte sie bloß.
„Sean“, fügte er mit leicht geneigtem Kopf hinzu.
Sean löste sich als Erster aus der Erstarrung und trat näher. „Vater war kürzlich zu Besuch. Ich habe von deinem Auftrag gehört und von der Anhörung. Ich bin froh, dass du zurück bist.“
„Wirklich?“, fragte Devlin unterkühlt nach.
Sean versteifte sich. „Ja, das bin ich.“ Nun schaute er von seinem Bruder zu Virginia. Ihr wurde bewusst, dass sie wie gelähmt dastand und Devlin mit starren Augen ansah. Doch in ihrem Kopf begann es zu arbeiten. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn wiederzusehen. Und mit dieser Aussicht hatte sie sich zufriedengegeben. Er hatte sie fürchterlich verletzt, aber davon glaubte sie sich erholt zu haben. Die Zeit heilte schließlich alle Wunden. Aber jetzt war er wieder da, stand nur wenige Schritte von ihr entfernt, und nichts hatte sich verändert.
Plötzlich gab Sean ein unverständliches Gemurmel von sich und verließ das Foyer. Jetzt war sie mit Devlin allein, und ihre Blicke trafen sich.
„Du siehst gut aus“, merkte er an. Sein Tonfall war weder gleichgültig noch interessiert.
Sie sog die Luft ein. Erinnerte er sich überhaupt an irgendetwas? Aber wie sollte er das vergessen haben!
Er kam auf sie zu. „Wie ich sehe, verstehst du dich gut mit Sean.“
Sie versteifte sich. Einst hatte er den widersinnigen Vorschlag gemacht, sie solle seinen Bruder ehelichen. „Er ist ein guter Freund.“
Sein Schulterzucken verriet ihr, dass ihre Worte ihm gleichgültig waren.
Unbewusst befeuchtete sie sich die Lippen. „Hast du ihn wirklich aufgefordert, mich ... zur Frau zu nehmen?“
„Das habe ich in der Tat getan.“
„Besitzt du denn kein Herz?“, flüsterte sie.
„Ich denke, darauf kennen wir beide die Antwort.“
„Dann bist du also nicht in der Lage, mir Mitgefühl entgegenzubringen?“
„Ich weiß wirklich nicht, was du von mir verlangst, Virginia. Es tut mir leid, dass du so lange in der Obhut meines Bruders warst, aber der Krieg verhinderte meine Rückkehr“, sagte er gleichmütig.
Virginia stand ganz still und fragte sich, ob es überhaupt möglich war,
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