Wilddiebe im Teufelsmoor - Wer raubte das Millionenpferd? - Vampir der Autobahn
diesem
Augenblick richtete sich der .Strauch’ auf, wuchs zur vollen Größe eines
riesenhaften Kerls. Und oben drauf saß der Schlapphut wie der Hut eines Pilzes
— und sehr ähnlich dem Rötlichen Lacktrichterling (Speisepilz).
„Aaahhhhh...“,
röhrte er, „habe ich dich, Feldlerche.“
Mit
ausgebreiteten Armen kam er auf sie zu.
Grell stach
Gabys Schrei in das eintönige Rauschen des Regens.
7. Aus für die
Heckenschützen
„Abstand
halten, Leute!“, sagte Tim, heiser vor Aufregung. „In flächendeckender
Formation (Truppeneinheit) gehen wir vor. Dann finden wir Pfote. Alle 60
Sekunden Rufsignal. Jipiii-Jeiii-Jooo! Einer ruft, die andern antworten. Klar?“
Karl und
Klößchen nickten.
Die drei
standen dort, wo sie Gaby vorhin zurückgelassen hatten.
Im moorigen
Grund hatte Tim Fußspuren entdeckt, die nicht von ihnen stammten.
Quadratlatschen-Spuren der Größe 46, mindestens.
War Gaby
vor einem Riesen geflohen?
„Ich komme
mit“, tönte Pulle Schubiaks Reibeisenstimme hinter ihnen.
Er war
nachgekommen, der Penner, und wollte sich nützlich machen.
Da sage
noch einer was! dachte Tim. Wenn das keine Gesinnung ist!
„Gern!“,
nickte er. „Dann auf den linken Flügel — und ab, Leute!“
Sie rückten
vor, zum Moor, in weit auseinandergezogener Kette.
Besorgnis
trieb Tim, dass er am liebsten gesprintet wäre. Er drückte auf Tempo, joggte
von Bulte zu Bulte und spähte, dass die Augen ihm brannten.
Stammten
die Quadratlatschen von Otto Revler, dem Köhler?
Gleich war
die Minute um.
Er blieb
stehen, legte trichterförmig die Hände an den Mund und wollte das Rufsignal
erschallen lassen. Aber dazu kam er nicht mehr.
Rechts von
ihm, jenseits der Sichtweite, gellte eine Sirene los. Aber nur im ersten Moment
klang es so. Dann fand Gaby trotz jämmerlicher Angst zu ihrer gewohnten Tonlage
zurück.
„Neiiin!
Hiiiiilfe!“
Wie ein
gedopter (durch Mittel zur Höchstleistung getriebener) Blitz sauste Tim
über Bulten und Schlenken.
Dort! Ein
Schemen! Ein großer Kerl in Waldschrat-Klamotten! Er stampfte auf Gaby zu. Sie
stand wie in den Boden gepflanzt, von Angst gelähmt. Nur die Stimmbänder
funktionierten.
„...entkommst
du mir nicht“, grunzte eine Stimme.
Sie schien
einem Hals zu entweichen, der zweimal täglich mit Salzsäure gurgelt.
... entkommst
mir nicht! dachte Tim. Recht hast du.
Er
verzichtete auf sportliches Verhalten. Das hier war kein Wettkampf, sondern
Rettung vor einem Unhold, der sich das nächste Opfer sicher wähnte.
Tim sprang
ihn von hinten an — ungefähr mit der Wucht einer Panzergranate, nämlich mit
beiden Füßen ins Kreuz.
Der Kerl
wurde umgefegt. Er gab einen Laut von sich, als versinke der letzte Dinosaurier
im Sumpf. Und so ähnlich erging es ihm, fiel er doch schon — Klatsch! — der
Länge nach auf die Vorderseite, wobei er sich von den Stiefelspitzen bis zur
Hutkrempe tief in den Moorboden drückte.
Tims
Landung vollzog sich trocken, jedenfalls stand er beidfüßig auf dem Rücken des
Niedergestreckten. Der rührte sich nicht.
„Tim!“,
jubelte Gaby.
Er lief die
wenigen Schritte zu ihr, und sie fiel ihm in die Arme. Unter Lachen und Weinen
erzählte sie, welchen Schrecken sie durchlebt hatte.
Währenddessen
umstanden Karl, Klößchen und Pulle Schubiak den Unhold. Mit drohender Gebärde
hielt Klößchen einen Knüppel bereit.
„Das ist
Otto Revler, der Köhler“, stellte Pulle fest.
Ächzend
hatte der sich auf die Knie gestemmt. Sein Gesicht sah aus wie der missglückte
Versuch eines Bildhauerlehrlings, einen Höhlenmenschen darzustellen: Wulstig
und roh, das Spiegelbild eines bösen Charakters.
„Ich muss
an mich halten“, stieß Tim durch die Zähne, „sonst vergrabe ich den hier. Aber
am besten ist er aufgehoben hinter Gittern. Dorthin gehört er, dorthin kommt
er. Hoch mit dir,
Revler! — auch wenn deine Nieren schlackern. Kommissar Glockner ist noch beim
Gasthaus. Der nimmt dich gleich mit.“
*
Als hätte
der Himmel ein Einsehen, hörte der Regen auf, schlagartig. Blank geputzt zeigte
sich das hohe Blau. Die Sonne, die schon ziemlich tief im Westen stand, schien
zu lächeln. Singvögel stimmten nicht nur ihr Abendlied an — sie vereinten sich
geradezu zur Big Band (großes Orchester).
Zu sechst marschierten
sie dem Gasthaus entgegen.
Klößchen
trug das Geweih des verendeten Hirsches, Revler schleppte sich knickbeinig. Er
war angeschlagen und wusste, was ihm blühte. Tim hatte Gaby bei der Hand
genommen.
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