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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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York. Sie würden gut daran tun, Ihre Fakten zuerst nachzuprüfen, bevor Sie Höhergestellte verleumden.«
    Die grauen Augen durchbohrten Georges verschwommenen Blick wie scharfe Eisbrecher. Aber George wußte, daß der Herzog bewußt log. Der Mann kannte die Wahrheit über Juliana, das stand eindeutig fest. Doch angesichts jener kühnen Behauptung und des verächtlichen Blicks, unter dem er seine Anklage wiederholen sollte, war George sprachlos.
    Der Herzog wartete einen langen Moment, während er den verwirrten Junker fixierte, bis er fast beiläufig sagte: »Wagen Sie es nie wieder, sich Lady Edgecombe auch nur auf eine Meile Entfernung zu nähern. Haben Sie verstanden?« Er ließ die Peitsche los und warf sie Ted zu, der sie geschickt mit einer Hand auffing.
    Der Herzog betrachtete George eine Zeitlang schweigend, die diesem wie eine Ewigkeit eisiger Drohung vorkam, dann nickte er Ted flüchtig zu, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Hof.
    »Dann woll'n wir mal, Bürschchen«, sagte Ted leutselig. »Laß uns zu einer Einigung kommen, ja?« Er hob seine Peitschenhand.George erstarrte in hellem Entsetzen, als die Lederschnur einen Bogen durch die Luft beschrieb. Dann brüllte er wie am Spieß, als er endlich begriff, was mit ihm geschah.
    Juliana sah ein, daß es ihr unmöglich war, sich auf die Oper zu konzentrieren – zum einen, weil ihre Gedanken bei dem bevorstehenden Treffen waren, und zum anderen, weil alle um sie herum angeregt plauderten, als ob sich die Sänger und Sängerinnen auf der Bühne nicht mächtig ins Zeug legten bei dieser Premiere von Pergolesis neuestem Werk.
    Das Italienische Opernhaus in Haymarket war während der gesamten Vorführung strahlend hell erleuchtet von zahllosen Kronleuchtern und Fackeln entlang der Bühne. König George der Zweite saß mit Königin Caroline in der königlichen Loge, und Juliana fand das Paar wesentlich interessanter als das unverständliche Italienisch, das von der Bühne herübertönte. So nahe wie jetzt würde sie wahrscheinlich nie wieder an Ihre Majestäten herankommen.
    George der Zweite war ein unscheinbar aussehender Mann mit kräftiger Gesichtsfarbe und einer unordentlichen weißen Perücke, die zerzaust von seinem kugelförmigen Kopf abstand. Er trug einen auffallend unsympathischen Gesichtsausdruck zur Schau, während er grimmige Blicke in die Runde warf und seinen Adjutanten die gesamte Vorstellung hindurch kritische Kommentare zubellte in seinem gebrochenen, mit einem schwerfälligen Akzent behafteten Englisch, das mühelos über das allgemeine Stimmengemurmel hinwegtönte.
    Nach der ersten Pause beschloß Juliana, nun ein wenig die Leidende zu spielen. Sie begann, ihren Fächer mit zunehmender Heftigkeit zu betätigen, wobei sie ab und zu leicht seufzte und sich wiederholt mit der Hand über die Stirn strich.
    »Ist etwas nicht in Ordnung, Juliana?« Die älteste Tochter der Bowens, Lady Sarah Fordham, beugte sich besorgt zu ihr. »Fühlen Sie sich unwohl?«
    »Meine Migräne«, jammerte Juliana mit einem kläglichen Lächeln. »Ich leide gelegentlich unter Migräne. Die Kopfschmerzen setzen aus heiterem Himmel ein.«
    »Sie Ärmste!« Sarah empfand augenblicklich Mitleid. Sie wandte sich an ihre Mutter, die neben ihr saß. »Lady Edgecombe fühlt sich nicht wohl, Mama. Sie hat starke Kopfschmerzen.«
    »Versuchen Sie es hiermit, meine Liebe.« Lady Bowen reichte ihr ein Riechsalzfläschchen. Juliana nahm es mit einem neuerlichen matten Senken der Lider entgegen. Vorsichtig roch sie daran; ihre Augen schwammen prompt in Tränen, und keuchend schnappte sie nach Luft bei dem gewaltigen Brennen in ihrer Nase. Sie lehnte sich zurück, schloß mit einem gequälten Seufzer die Augen und betätigte ihren Fächer mit nicht mehr Kraft als eine Invalidin. Sie würde ihren ursprünglichen Plan, die Oper zu verlassen und in einer Mietdroschke nach Covent Garden zu fahren, abändern müssen. Tarquin hatte darauf bestanden, daß sie an diesem Abend seine eigene Kutsche nahm, damit sie nicht auf Lady Bowens Transportmittel angewiesen wäre. Er hatte es nur gut gemeint, aber es war verdammt lästig. Jetzt würde sie sich irgend etwas einfallen lassen müssen, um den Kutscher loszuwerden.
    »Es könnte sein, daß ich gleich ohnmächtig werde, Ma'am«, murmelte sie. »Wenn ich doch nur ein paar Minuten frische Luft schnappen könnte…«
    »Cedric wird Sie begleiten.« Lady Bowen winkte energisch Lord Cedric herbei, einen überschlanken, saft- und

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