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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Sie erhob sich und griff nach der Klingelschnur. »Was darf ich euch zu trinken anbieten? Fruchtlikör oder Sherry… oder vielleicht Champagner?« fügte sie aus einem boshaften Impuls heraus hinzu. »Mögt Ihr Champagner?«
    »Gott, wie wundervoll«, rief Lilly. »Du kannst dir solche Dinge in diesem Haus bestellen?«
    »Alles, was ich will«, erklärte Juliana mit einem Anflug von Wagemut, als der Butler auf ihr Läuten hin erschien. »Catlett, bringen Sie uns Champagner, wenn Sie so gut sein möchten.«
    »Sehr wohl, Mylady.« Catlett verbeugte sich und ging hinaus, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    »Seht ihr«, sagte Juliana befriedigt. »Ich darf die ausgefallensten Wünsche äußern.«
    »Wie beneidenswert«, seufzte Rosamund. »Wenn ich da an die arme Lucy Tibbet denke…« Eine Wolke der Düsterkeit legte sich über Julianas drei Besucherinnen und verlieh den eben noch so fröhlichen und jugendlichen Gesichtern etwas zynisch Lebensmüdes.
    »Lucy Tibbet?« hakte sie nach.
    »Sie hat in einem von Haddocks Hutläden gearbeitet«, erklärte Emma, und ihre gewöhnlich sanfte Stimme war auf einmal so scharf und beißend wie Essig. »Mach einen großen Bogen um Mutter Haddock, wenn dir dein Leben lieb ist, Juliana.«
    »Sie ist keinen Deut besser als Dick Haddock«, ergänzte Rosamund. »Als er starb, haben wir alle gedacht, für seine Frau zu arbeiten würde leichter sein. Aber das Weib schwingt die Fuchtel genauso böse und grausam wie Dick!«
    Catletts Erscheinen mit dem Champagner erzeugte ein melancholisches Schweigen, das nur vom Knall des Korkens unterbrochen wurde und dem leisen Schäumen, als er die strohfarbene Flüssigkeit in Gläser goß. Catlett reichte sie herum und verließ dann mit einer Verbeugung den Raum.
    »Was gibt es denn an einem Hutgeschäft auszusetzen?« Juliana nippte an ihrem Champagner und kräuselte die Nase, als die Bläschen ihren Gaumen kitzelten.
    »Es ist ein Bordell, Liebes«, erklärte Lilly mit einer gewissen Verachtung. »Alle sind das Covent Garden… auch die Schokoladengeschäfte und die Kaffeehäuser. Diese Tarnbezeichnung soll die hiesige Polizeibehörde an der Nase herumführen. Niemand nennt sie Freudenhäuser, obwohl jeder weiß, was sie in Wirklichkeit sind.«
    Die anderen kicherten über Julianas Naivität. »Die Haddocks vermieten den Mädchen Läden und Hütten auf dem Marktplatz… gewöhnlich für drei Guineen die Woche. Sie zahlen die Gemeindesteuern und erwarten dafür eine Beteiligung am Profit.«
    »Nicht, daß jemals irgendwelche Profite dabei herausspringen würden«, erläuterte Lilly. »Lucy hat letzte Woche zehn Pfund für die Miete und für Wäsche und Gläser ausgegeben, die sie von Mutter Haddock kaufen musste, und am Ende der Woche hatte sie elende sechs Pence für sich übrig.«
    »Sie hatte Dick einen Schuldschein über vierzig Pfund gegeben, bevor er starb«, fuhr Rosamund mit der Erklärung fort. »Einmal hatte er die Kaution für sie gestellt, als sie im Schuldnergefängnis saß, und sie sollte ihm die Summe in wöchentlichen Raten zurückzahlen. Aber mit mickrigen sechs Pence kann sie das natürlich nicht; deshalb hat Mutter Haddock sie wegen Zahlungsunfähigkeit ins Hofmarschallgefängnis werfen lassen.«
    »Wir veranstalten eine Sammlung für Lucy, um die Kaution zusammenzubekommen«, sagte Lilly. »Jeder versucht ihr zu helfen, so weit es geht.«
    »Man weiß ja nie, ob man nicht selbst auch mal in eine solche Lage gerät«, fügte Rosamund bedrückt hinzu.
    »Ein paar von den Puffmüttern gewähren ein zinsfreies Darlehen, wenn sie ein Mädchen, das in Schwierigkeiten geraten ist, besonders mögen«, sagte Lilly. »Aber Lucy hat sich eine Menge Feinde gemacht, als es ihr noch gutging, und jetzt, wo sie eine Pechsträhne hat, ist keine der Puffmütter bereit, einen Finger für sie krumm zu machen.«
    »Und die Wärter im Hofmarschallgefängnis sind wirklich grausam.« Emma schauderte. »Sie foltern die Gefangenen und weigern sich, ihnen Essen zu bringen oder Kohlen oder Kerzen zu geben, wenn sie nicht die unverschämtesten Summen dafür zahlen. Und Lucy ist völlig bankrott.«
    »Aber wieviel braucht sie denn?« Julianas Gedanken überschlugen sich. Obwohl sie erst so kurze Zeit in London war, hatte sie bereits genug gesehen, um Lucys Not sowohl entsetzlich als auch glaubhaft zu finden. Schließlich hatte der Herzog sie gründlich darüber aufgeklärt, wie leicht ein schutzloses Mädchen in der Gosse landen konnte. Und wenn sie erst

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