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Wilde Flammen

Wilde Flammen

Titel: Wilde Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Aschenbecher ausdrückte. »Sagen wir einfach, ich wollte mit eigenen Augen sehen, was meinen Vater all die Jahre über so fasziniert hat.«
    Â»Sie sind nie gekommen, als er noch lebte.« Jo verschränkte die Finger fest ineinander, um das Zittern ihrer Hände vor ihm zu verbergen. »Sie waren nicht einmal bei seiner Beerdigung.«
    Â»Wäre das nicht Heuchelei gewesen?«
    Â»Er war Ihr Vater«, sagte sie vorwurfsvoll.
    Â»Das stimmt in gewisser Weise«, erwiderte Keane ruhig. »Aber es reicht nicht aus, ein Kind zu zeugen, um Vater zu sein. Frank Prescott war ein Fremder für mich.«
    Â»Sie hassen ihn.« Jo fühlte sich hin- und hergerissen zwischen ihrer Loyalität für Frank und dem Verständnis für den Mann ihr gegenüber.
    Â»Nein.« Nachdenklich schüttelte Keane den Kopf. »Als kleiner Junge war ich wütend auf ihn, ja, aber mit den Jahren gewann ich eine andere Einstellung.«
    Â»Er war ein guter Mensch.« Jo lehnte sich vor. Keane musste das einfach begreifen! »Er wollte die Menschen glücklich machen, wollte ihnen den Zauber, die Magie des Lebens zeigen. Vielleicht war er nicht dazu geboren, ein Vater zu sein – manche Menschen sind einfach nicht dafür gemacht –, aber er war herzlich und gütig. Und er war stolz auf Sie.«
    Â»Stolz auf mich?« Dieser Gedanke schien Keane zu amüsieren. »Wie das?«
    Â»Oh, Sie sind wirklich abscheulich.« Seine Gleichgültigkeit verletzte Jo. Wieder wollte sie aufstehen, doch Keane hielt sie zurück.
    Â»Nein, sagen Sie es mir, ich möchte es wissen.«
    Seine Hand lag locker auf ihrem Arm, doch sollte sie sich wehren, würde der Griff fester werden, das wusste sie. »Na schön.« Sie schüttelte das lange Haar zurück. »Er hatte die Chicagoer Tageszeitung abonniert. Jeden Artikel, jede Erwähnung Ihres Namens, ob nun bei einer Gerichtsverhandlung oder bei einer Dinnerparty, hat er aufbewahrt. Manchmal hat Frank mir den Artikel vorgelesen, bevor er ihn ausschnitt und in seine Mappe einklebte.«
    Sie befreite sich aus seinem Griff und ging an Keane vorbei zum Schlafzimmer. Die alte Holztruhe stand am Fußende des großen Bettes, dort, wo sie immer gestanden hatte. Jo ließ sich auf die Knie nieder und schlug den Deckel auf.
    Â»Hier hat er immer alle Sachen aufbewahrt, die ihm wichtig waren.« Zügig ging sie die Papiere und Erinnerungsstücke durch. Bisher hatte sie es nicht über sich gebracht, die Sachen in der Truhe zu sortieren. Keane stand im Türrahmen und sah auf sie herunter. »Er nannte es seine Erinnerungskiste. Seiner Meinung nach waren Erinnerungen die Belohnung fürs Altwerden. Hier ist es.« Sie zog eine dicke dunkelgrüne Mappe hervor, setzte sich auf die Fersen und hielt sie Keane hin.
    Erst nach einem Moment kam er in den Raum herein und nahm die Mappe von ihr entgegen. Außer dem Regen, der draußen große Pfützen bildete, war kein Laut zu hören. Mit undurchdringlicher Miene schlug er die Seiten auf, das Rascheln des Papiers mischte sich in das Rauschen des Regens.
    Â»Er muss ein seltsamer Mann gewesen sein«, murmelte Keane. »Eine Sammelmappe über einen Sohn anzulegen, den er gar nicht kennt.« Keine Andeutung von Geringschätzung lag in seiner Stimme, nur Verwunderung. »Was für ein Mensch war er?« Er richtete den Blick auf Jo.
    Â»Ein Träumer«, antwortete sie spontan. »Seine Uhr ging immer nach. Wenn er ein Bild aufhängte, dann immer schief. Er richtete es auch nie, weil er es gar nicht bemerkte. Immer dachte er über das Morgen nach. Wahrscheinlich bewahrte er deshalb das Gestern in der Truhe auf.« Sie wollte die Unordnung in der Truhe beseitigen, die sie bei ihrer Suche angerichtet hatte. Doch ein Stück roten Stoffs, das unter zahlreichen anderen Dingen hervorlugte, ließ sie stutzen. Sie griff danach und zog eine alte Puppe hervor.
    Es war ein trauriges kleines Ding aus Plastik, die Seide des Kleides verblichen, das aufgemalte Gesichtchen kaum noch zu erkennen. Ein Arm war herausgerissen, der Ärmel des Kleides hing schlaff herunter. Zerzaustes goldenes Haar kringelte sich wirr den Rücken herab, und die Ballettschuhe an den Füßen waren zerschlissen. Tränen schossen Jo in die Augen, und ihr entfuhr ein überraschter Laut, eine Mischung aus Freude und Trauer.
    Â»Was ist?«, fragte Keane. Er sah, wie Jo die ramponierte

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