Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
mochten, in einer anderen Zeit, an einem anderen
Ort, in diesem Leben blieb es ihnen verwehrt. Er würde ihrem Beispiel nicht folgen, würde seine menschliche Gestalt nicht aufgeben. Er hatte Verpflichtungen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sein Volk nie enttäuschen würde. Ihr Kummer lastete schwer auf ihr, und sie empfand ihn, egal, in welcher Gestalt. Rachael legte sich in die Gabelung eines großen Baumes weit weg von Rios Haus, bettete den Kopf auf die Tatzen und weinte.
Rio hörte Kim höflich zu, schaute aber immer wieder zur Veranda. Rachael stand nicht mehr in der Nähe der Tür, er konnte sie nicht sehen. Sie hatte so deprimiert gewirkt, ganz anders als die kämpferische Rachael, die er kannte. Er wollte zu ihr, hatte das Gefühl, dass sie ihn brauchte, doch Kim war schließlich eigens gekommen, um ihm von der bedeutsamen Vision seines Vaters zu berichten und ihn vor jenem Trupp zu warnen, der auf der Suche nach Heilpflanzen durch den Wald streifte.
»Er kannte die Namen aller Pflanzen und ihre Eigenschaften«, berichtete Kim in seiner bedächtigen, ruhigen Art. »Mein Vater weiß nicht, warum er eine solche Vision hatte, obwohl der Mann doch die Gesetze des Dschungels genau kennt.«
Rio machte einen Schritt zur Tür und verrenkte sich den Hals, um einen Blick auf Rachael zu erhaschen. »Viele Männer kennen die Gesetze des Dschungels, Kim, aber das heißt nicht, dass sie sie respektieren. Vielleicht ist er von der Sorte. Könnte er ein Wilderer sein, der hinter Pelzen oder Elefanten her ist?« Je mehr er über den Mann herausfand, desto besser konnte er beurteilen, ob sie mit Schwierigkeiten rechnen mussten.
Kim kam ihm sofort nach. »Kann sein. Waffen hat er genug.«
»Tama würde sie nie hierher führen, insbesondere, wenn sie Wilderer sind. Nicht einmal, wenn es sich um eine Ehrenschuld handelt.«
»Richtig, doch wenn der Mann kein Wilderer ist, sondern etwas Größeres jagt, zum Beispiel die Frau oder dich, wird Tama es erst merken, wenn es zu spät ist.«
»Hat dein Vater in der Vision gesehen, dass einer von uns in Gefahr ist? Wenn mehr dahintersteckt, sag es mir.« Rio machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu. Sein Herz begann zu pochen, und sein Mund wurde trocken.
»Mein Vater war sehr verstört, über das, was er gesehen hat, deshalb hat er mich zu dir geschickt. Er ist sich nicht ganz sicher, was die Vision ihm sagen wollte. Er hat gespürt, dass große Gefahr besteht, doch er weiß nicht, ob für dich oder für die Frau. Er hat gesagt, ich muss gehen und dich warnen.«
»Ich danke dir, Kim. Bestell deinem Vater, dass es mir eine große Ehre ist und dass ich seine Warnung zu schätzen weiß. Ich werde gut aufpassen.«
Auf der Veranda war es viel zu still. Im Wald wurde es plötzlich ruhig, dann begannen die Affen, wild zu kreischen. Rio war angespannt und fluchte leise und wortreich. »Sie ist weg.« Er ließ sich die drei Worte auf der Zunge zergehen, um sie zu begreifen. Blindwütiger, düsterer Zorn stieg in ihm auf. Er unterdrückte ihn. »Rachael.« Er sagte ihren Namen wie ein Mantra, um bei klarem Verstand zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren.
»Was ist los, Rio?«, fragte Kim, während er einen Schritt zurückwich, denn wenn jemand gefährlich war, konnte er es sehen. Es genau fühlen. Rios Gesicht wurde zu einer wütenden Maske, seine Augen funkelten, und die Wildheit drang ihm aus jeder Pore.
»Das Han Vol Don. Verdammt noch mal, sie hat sich verwandelt, obwohl ihr Bein noch nicht verheilt ist. Ich habe es ihr verboten, aber sie tut, was sie will, ob es vernünftig ist oder nicht.« Rio war nicht nur wütend, er war außer sich. Und das hatte nichts zu tun mit seiner Angst um sie oder um ihr verletztes Bein oder um seinen möglichen Verlust. Oder der Tatsache, dass sie ihn verlassen hatte. Er ballte die Fäuste und versuchte, das Dröhnen in seinem Kopf in den Griff zu kriegen. »Allein im Wald ist sie in Gefahr.«
Kim schaute ihn bloß an. »Sie hat ihr wahres Selbst gefunden. Sie wird wissen, wie sie sich verhalten muss.«
»So einfach ist das nicht. Wir können nicht allzu lang in der Leopardengestalt bleiben.« Rio riss sich die Jeans herunter, die er so hastig übergezogen hatte. »Danke für die Warnung. Halte dich von diesem Mann fern. Wenn er der ist, für den ich ihn halte, ist er gefährlich. Danke auch deinem Vater. Viel Glück, Kim.« So unhöflich war er zu einem Mann, der mit Traditionen, Ritualen und vor allen Dingen
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