Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
abschütteln. Der Urwald hätte ihr Angst machen sollen, stattdessen war er für sie so selbstverständlich wie das Atmen.
»Warum lassen mich die Insekten in Ruhe?« Maggie fiel plötzlich auf, dass es um sie herum nur so von ihnen wimmelte, doch bislang hatte sich nicht einmal eine Mücke an sie herangewagt.
»Der Duft des Nektars schreckt sie ab. Wir benutzen ihn auch im Haus. Das macht das Leben hier wesentlich angenehmer. Wir bereiten den Saft im Dorf zu und verteilen ihn täglich. Am besten wirkt er, wenn man ihn trinkt«, erklärte Brandt. »Hier im Wald gibt es vieles, was man als Medizin oder als Insektenschutzmittel einsetzen kann, oder auch für andere nützliche Dinge.«
»Erzählen Sie mir mehr über meine Eltern.« Dieser Spaziergang mit Brandt machte ihr schon wieder viel zu viel Spaß. Sie wollte das Risiko, seiner Anziehungskraft zu erliegen, lieber nicht eingehen. Eine stürmische Affäre mit diesem heißblütigen Liebhaber würde sie wahrscheinlich
nicht unbeschadet überstehen. Sie fühlte sich zu sehr zu ihm hingezogen. War zu anfällig für seine Reize.
Brandt strich sich mit der Hand durch das dunkle, seidige Haar. »Erst möchte ich dir eine Geschichte erzählen, die allen in dieser Gegend wohlbekannt ist. Sie hat auch mit deinen Eltern zu tun.«
Maggie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, doch Brandt schaute geradeaus auf den Pfad. Er hatte einen Weg gewählt, der genau in die entgegengesetzte Richtung führte, als die, die Drake ihr zum Dorf gewiesen hatte. Was immer Brandt Talbot plante, er war in der überlegenen Position. Doch das war ihr egal. Ihr ging es nur darum, möglichst viel von ihm zu erfahren. »Bitte, fangen Sie an.«
Da schaute er kurz zu ihr hinüber. Maggie spürte erneut seinen brennenden Blick auf sich ruhen, doch sie hielt den Kopf gesenkt und machte ein möglichst unschuldiges Gesicht. Gleichmütig zuckte Brandt die breiten Schultern. »Damals war das Dorf noch jünger, und die Häuser standen eng beisammen auf einer Lichtung. Niemand ahnte, in welcher Gefahr wir schwebten. Früher war das Dorf sehr groß, aber im Laufe der Zeit ist es bis auf wenige Haushalte geschrumpft, und das jüngste Paar war schon in den Dreißigern. Es wünschte sich ein Kind und alle im Dorf hofften, dass der Wunsch in Erfüllung ginge. Die beiden verdienten es, sie hatten hart gearbeitet, um den Wald zu retten, hatten den Wilderern getrotzt, Fallen zerstört, gefangene Tiere befreit und unermüdlich versucht, die ihnen anvertrauten Tiere zu schützen. Dann geschah das Wunder.« Brandt lächelte, als erinnere er sich selbst an diesen schönen Augenblick.
»Das Paar sollte ein Kind bekommen.«
Brandt nickte, und das kleine Lächeln, das weiter um
seine Lippen spielte, strahlte bis in seine goldenen Augen. Maggie verschlug es den Atem. »Sie bekamen eine wunderbare Tochter und waren überglücklich. Im Dorf herrschte helle Aufregung. Die meisten anderen Pärchen waren älter und hatten nur wenige Kinder, daher warteten alle gespannt auf den Ritus des Versprechens.«
Maggie strich sich das Haar aus dem Gesicht. Die Zweige, die sie streiften, rissen ihr immer wieder Strähnen aus dem Zopf. »Und was ist der Ritus des Versprechens?«
»Diese Leute waren keine gewöhnlichen Menschen, Maggie, vielmehr etwas Besonderes, eine ganz andere Spezies. Sie waren weder Mensch noch Tier, sondern eine Mischung aus beidem, von der Natur selbst so kreiert. Sie lebten in normaler menschlicher Gestalt, waren aber imstande, sich in große Leoparden zu verwandeln, die den Dschungel durchstreiften, um die Ordnung zu bewahren. Sie waren allen anderen Kreaturen überlegen und daher war es unvermeidlich, dass sie die Herrschaft übernahmen.«
Maggie warf Brandt einen verstohlenen Blick zu. Er erzählte ihr das als eine Geschichte, aber ließ dabei deutlich durchblicken, dass viel mehr als nur das dahinter steckte. So ein Märchen konnte und wollte sie ihm nicht glauben, egal, wie charismatisch Brandt sein mochte.
»Halb Mensch, halb Leopard, wie die Leopardenmenschen aus den Legenden?« Maggie gab sich große Mühe, ihre Skepsis nicht durchklingen zu lassen. Sie hatte viel Zeit damit verbracht, die halbmenschlichen Gottheiten zu studieren, wie sie von den verschiedenen Stämmen verehrt wurden. Von dem Thema war sie seit je wie besessen.
»Wer dieser Spezies angehört, ist in der Lage, sein Aussehen
nach Belieben zu ändern. Natürlich nicht von Anfang an; wenn sie klein sind, sind sie wie alle anderen Kinder.
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