Wilde Rose der Prärie
möglich vor Gericht kommen, wenn auf der anderen Seite des Gebäudes tatsächlich bereits an Gabes Galgen gezimmert wurde.
Ja, das war eindeutig sie, die da hinter dem Hotel mit einer verbeulten Schale voller Essensreste unterwegs war. Der Hund, ein altes Tier mit gelblichem Fell, dem ein Stück von einem Ohr fehlte und der Anzeichen für Räude erkennen ließ, fraß gierig auf, was sie ihm mitgebracht hatte.
Holt trat aus dem Schatten. „Guten Abend, Miss Fellows", sagte er.
Sie zuckte so zusammen, dass sie beinahe die Schale hätte fallen lassen, doch sie hatte sich gleich wieder im Griff. „Mr. Cavanagh", entgegnete sie beiläufig. „Oder sollte ich Sie besser Mr. McKettrick nennen? Mir sind beide Namen zu Ohren gekommen." Sie trug ein altes Kattunkleid und ein zerlumptes Tuch, das Gesicht war unter der breiten Krempe eines Herrenhuts verborgen. Offenbar war sie inkognito unterwegs, wenn sie den Hund fütterte.
„Ich nenne mich jetzt McKettrick", antwortete er. „Aber Sie können Holt zu mir sagen."
„Falls ich das möchte", konterte sie. „Was aber nicht der Fall ist." Er lachte. „Wie Sie wünschen."
Während der Hund die letzten Reste verschlang, streichelte Lorelei den Kopf des Tiers. Sie tat das so sanft und zärtlich, dass es Holt den Atem verschlug. „Was wollen Sie, Mr. McKettrick?" Ihr Mundwinkel zuckte minimal. „Wie Sie sehen können, gibt es hier keine Feuer, die Sie austreten können."
„Gabe erzählte mir, Sie seien beim Verfahren gegen ihn jeden Tag im Gerichtssaal gewesen. Mich würde der Grund dafür interessieren, vor allem mit Blick darauf, wie feindselig Sie sich gestern über ihn geäußert haben. Ich glaube, Sie bezeichneten ihn als Pferdedieb und Mörder."
Sie hielt seinem Blick stand. „Er hat anständige Menschen ermordet. Vielleicht wollte ich nur mit eigenen Augen sehen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird."
„Vielleicht", gab Holt zurück. „Aber vielleicht dachten Sie sich auch, wenn dieser Mann regelmäßig einen einsamen Hund füttert, dann wird er wohl kaum einen Rancher und dessen Frau abschlachten, nur weil er an dem Abend gerade nichts Besseres vorhat."
Trotz der breiten Hutkrempe konnte Holt sehen, wie sie einen Moment lang seinem Blick auswich. „Man wird ihn hängen", erklärte sie tonlos. „Würden Sie meinen Vater kennen, dann wüssten Sie, dass Sie nur Ihre Zeit vergeuden, wenn Sie an einen anderen Ausgang der Sache glauben."
„Und würden Sie mich kennen", hielt Holt dagegen, „dann wären Sie von Ihren Worten keineswegs so überzeugt."
Sie machte einen Schritt auf ihn zu und hob den Zeigefinger, überlegte es sich dann aber anders, seufzte schwer und ließ die Schultern sinken. „Ich weiß nicht, für wen Sie sich halten, Mr. McKettrick, auf jeden Fall ist es besser, Sie legen sich nicht mit meinem Vater und ... ich meinte, mit meinem Vater."
„Mit Ihrem Vater und Isaac Templeton an?", hakte Holt nach. „Ist es das, was Sie sagen wollten?"
Seine Frage ließ sie erröten. „Gehen Sie einfach. Kehren Sie zurück zu Ihrer Frau und Ihren Kindern."
„Ich habe keine Frau", ließ er sie wissen. „Und meine Tochter ist bei Leuten, die sie lieben. Außerdem gehe ich erst, wenn ich das erledigt habe, wofür ich gekommen bin."
Lorelei setzte zum Reden an, machte den Mund aber gleich wieder zu, schlug ungehalten die Schale gegen ihren Oberschenkel und wandte sich von ihm ab. Er pfiff den Hund zu sich, woraufhin Lorelei sich noch einmal umdrehte und zusah, wie das Tier zu ihm trottete und seine Hand ableckte.
„Machen Sie ihm keine falschen Hoffnungen", warnte sie ihn.
„Das tue ich nicht. Ich nehme ihn mit auf meine Ranch. Wir können einen guten Wachhund gebrauchen."
Fast hätte sie gelächelt, bemerkte Holt, doch in letzter Sekunde konnte sie es noch verhindern. „Er heißt Sorrowful", sagte sie mit sanfter Stimme. Für ihn wurde damit deutlich, dass sie eine komplizierte Frau war. Eine Frau, die ihr Hochzeitskleid in Brand steckte, die Mordprozesse verfolgte und die einen einsamen, alten Hund so sehr liebte, dass sie ihm Essensreste brachte.
Holt kraulte die deformierten Schlappohren des Hundes. „Howdy, Sorrowful. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen."
„Seit wann besitzen Sie hier irgendwo eine Ranch?", fragte sie ihn ein wenig besorgt. „Ich kenne jeden hier im County, aber Sie sind mir fremd."
„Seit ich die Cavanagh-Ranch gekauft habe", informierte er sie und wartete auf ihre Reaktion.
Sie musste schlucken,
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