Wilde Rose der Prärie
begeistert, die den Kopf ganz in den Nacken gelegt hatte, um den riesigen, silbern schimmernden Erdtrabanten zu bewundern.
Tillie hatte nur Augen für die Puppe, die in ihrem Schoß lag, und strich mit einer Hand über das mit Rüschen besetzte kleine Kleid, während Lorelei Melinas Blick folgte.
Dabei musste Lorelei daran denken, was der Mond wohl alles schon zu sehen bekommen hatte. Und wenn sie irgendwann alle längst tot und vergessen waren, würde er immer noch seine Bahn um die Erde ziehen, und neue Generationen würden auf dieser Welt ihr Leben leben. „Was glaubst du, wie es hier gewesen sein muss, als die Mission noch geöffnet war?", fragte sie.
„Einsam", antwortete Melina und seufzte. Sorrowful hatte sich zu ihnen gesellt und seine Schnauze auf ihren Oberschenkel gelegt. Gedankenverloren streichelte sie seinen Kopf, den Blick nach wie vor in den Nachthimmel gerichtet. „Ich möchte wissen, ob Gabe jetzt auch den Mond sehen kann."
Zaghaft berührte Lorelei ihre Hand. „Ganz gleich, was mit Gabe geschehen wird", machte sie ihr klar, „dir wird nichts zustoßen."
„Wirklich nicht?" Als Melina den Kopf drehte, sah Lorelei, dass ihr Tränen in den Augen standen. „Gabe und ich, wir waren häufiger voneinander getrennt, als wir Zeit
zusammen verbracht haben. Aber ich wusste immer, er ist irgendwo da draußen unterwegs. Ich wusste, er taucht immer dann auf, wenn ich es am wenigsten erwarte, und sagt mir schöne Dinge, bringt mich zum Lachen und zum Weinen und zu allem, was sich dazwischen befindet. Er kann mich so wütend machen, dass ich mit den bloßen Zähnen die Nägel aus einem Hufeisen ziehen möchte, aber wenn er bei mir ist, dann erscheinen mir sogar die gewöhnlichsten Dinge wie etwas ganz Besonderes."
Tillie hielt ihnen ihre Puppe hin. „Sieht sie nicht hübsch aus in ihrem neuen Kleid?"
„Oh ja, das ist wahr", erwiderte Lorelei.
„Ihr Name ist Pearl", ließ Tillie sie wissen. „Ich wünschte, ich würde Pearl heißen." Melina beugte sich vor. „Was gefällt dir denn an Tillie nicht?" Sie zuckte mit den Schultern. „Das klingt so gewöhnlich." Seufzend stand sie auf. „Ich glaube, ich bringe Pearl jetzt besser ins Bett. Sie hatte einen langen Tag."
„Hatten wir den nicht alle?", fragte sich Lorelei. Sie hätte ihre Seele für ein heißes Bad gegeben, aber es war unnütz, auf etwas zu hoffen, was sie nicht kriegen konnte. „Wo schlafen wir eigentlich heute Nacht?"
Nun stand auch Melina auf, nachdem sie Sorrowfuls Kopf behutsam von ihrem Bein auf den Boden geschoben hatte. „Holt sagt, wir sollen unser Bettzeug in der Mission ausbreiten."
Trotz des zwischen ihnen geschlossenen Waffenstillstands kniff Lorelei die Lippen ein wenig zusammen. Holt sagte dies, Holt sagte jenes. Auch wenn es keinen triftigen Grund für ihr Verhalten gab, verspürte sie den Wunsch, gegen seine Befehle aufzubegehren.
„Ich glaube, ich bleibe noch eine Weile hier", entschied sie. „Bleib nicht zu lange auf", riet Melina ihr und streckte sich. „Ehe du dich versiehst, sind wir wieder aufgebrochen." Mit diesen Worten ging sie so wie Tillie zur Mission, dicht gefolgt von Sorrowful.
Lorelei seufzte und schaute ins Feuer. Das Holz begann in kleine glühende Stücke zu zerfallen, Funken stiegen wie Glühwürmchen in den Himmel, als würden sie versuchen, den Mond zu erreichen.
Die meisten Cowboys hatten bereits ihre Decken auf dem Boden ausgebreitet und sich schlafen gelegt. Nur Holt, Rafe, Captain Walton und Mr. Cavanagh saßen noch zusammen. Mit einem Stock zeichnete Holt etwas in die Erde, die anderen nickten und gaben ihre Kommentare ab.
Schließlich nahm die Besprechung ihr Ende, die vier Männer standen erschöpft auf und verteilten sich.
Holt nickte Lorelei zu, als er an ihr vorbei in Richtung des Flusses ging, doch er sprach kein Wort. Darüber war sie erleichtert und enttäuscht zugleich, was sie so verwirrte, dass sie nicht merkte, wie der Captain zu ihr kam. Erst als er sich zu ihr setzte, bemerkte sie ihn.
„Haben Sie schon mal Poker gespielt?", fragte er. Lorelei lachte und verneinte.
„Von einer guten Partie Poker kann man eine ganze Menge lernen", fuhr er fort und sah sie mit funkelnden Augen an. „Zum Beispiel, wann man seine Karten behalten und wann man sie zurückgeben sollte."
„Ich habe keine Ahnung, was das heißen soll", gestand sie und kippte den Rest Kaffee ins Feuer. „Warum sollte jemand seine Karten zurückgeben?"
„Oh, das ist ganz einfach, Miss Fellows", meinte
Weitere Kostenlose Bücher