Wilde Rose der Prärie
an seinen Hut, um sich für die Einladung zu bedanken, dann trat er als Erster durch das Portal und gelangte auf einen weitläufigen Innenhof. Pferde und Maulesel gleichermaßen fühlten sich zum Springbrunnen hingezogen, dessen Wasser sich in ein breites, gemauertes Becken ergoss.
„Sind Sie hier ganz allein, Padre?", fragte Mr. Cavanagh, der sich vom Wagen aus umsah. Lorelei hatte diese Frage längst stellen wollen, da er immer wieder von uns sprach, obwohl außer ihm niemand zu entdecken war. „Natürlich nicht", verneinte der Padre fröhlich. „Alle meine Brüder sind hier." Abermals schaute sie sich um, weil sie vielleicht jemanden übersehen hatte. Aber wenn es weitere Mönche in der Mission gab, dann mussten sie sich in den diversen Gebäuden aufhalten, oder sie befanden sich in den Baumkronen, um Äpfel zu pflücken. Allein der Gedanke an diese Äpfel ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
„Fühlen Sie sich wie zu Hause", erklärte der Padre mit volltönender Stimme, während er von Mann zu Mann und von Pferd zu Pferd ging. „Dort drüben ist der Stall, und da entlang geht es zur Küche von Bruder Lawrence. Ich darf annehmen, dass die Damen ihre eigenen Quartiere wünschen - nur am Brunnen vorbei und dann gleich rechts."
Lorelei saß ab und nahm Seesaws Zügel, um den Maulesel zum Stall zu führen. Oh, was würde es für eine Wohltat sein, in einem richtigen Quartier zu schlafen, vielleicht sogar in einem Bett. Und womöglich gab es ja auch eine Badewanne!
Es überraschte sie nur, dass auf einmal Holt neben ihr auftauchte, der sein Pferd zum Stall brachte. Ihr fiel seine nachdenkliche Miene auf.
„Kommt das nur mir so vor", fragte er, „oder stimmt hier irgendwas nicht?"
Sofort wurde in ihr ein kleiner Wirbelsturm der Freude entfacht, den sie am liebsten unterdrückt hätte, was ihr aber nicht gelang. Es ärgerte sie, dass eine einfache Frage aus dem Mund dieses Mannes bei ihr solche Begeisterung auslösen konnte. „Es kommt mir etwas ... ruhig vor", sagte sie, ohne ihn dabei anzusehen. Sie fürchtete, er könnte sonst etwas in ihrem Gesicht entdecken, das er nicht sehen sollte.
„Wo sind die anderen?", wunderte er sich, doch ihr war nicht klar, ob er die Frage ihr oder vielleicht sich selbst stellte.
Sie antwortete mit einer Gegenfrage: „Waren Sie schon mal hier?" Holt schüttelte den Kopf. „Ich habe die Mission bislang nur aus der Ferne gesehen", erklärte er. Sie hatten das Tor zum Stall erreicht, und er hielt es ihr auf, damit sie mit Seesaw vorgehen konnte. „Ich dachte immer, sie wäre verlassen." Zu beiden Seiten des langgestreckten Gebäudes befanden sich Boxen, die allesamt leer zu sein schienen. Der Boden war makellos sauber, und als Lorelei einen Blick in eines der großen Holzfässer gleich neben dem Tor warf, stellte sie fest, dass sie mit Getreide gefüllt waren. Im ersten befand sich Hafer.
Holt ließ seinen Wallach im Mittelgang stehen und nahm Seesaws Zügel, um das Tier in eine der Boxen zu bringen, wo er ihm Sattel und Zaumzeug abnahm. Lorelei ging unterdessen bis zum Ende des Gebäudes, fand aber überall nur leere Boxen vor. Jede von ihnen war großzügig mit Stroh eingestreut und verfügte über einen eigenen Wassertrog.
„Man sollte meinen, dass er wenigstens einen Esel hätte", rief sie Holt irritiert zu. Inzwischen kümmerte der sich um sein eigenes Tier. „Ich würde gern mal diese ,Brüder' sehen, von denen er sprach."
In diesem Moment folgten ihnen die anderen Cowboys, brachten ihre Pferde unter und holten dann eimerweise Wasser vom Brunnen, um es in die Tröge zu schütten. Lorelei kehrte nach draußen zurück und suchte nach Melina, Tillie und dem Baby. Der Padre stand immer noch mitten auf dem Innenhof und strahlte vor Freude über seinen Besuch, doch von den anderen Mönchen war nach wie vor nichts zu entdecken.
Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken. Sie lächelte dem Padre zu und ging in Richtung der Quartiere, von denen er gesprochen hatte, in denen sie und die anderen Frauen die Nacht verbringen sollten.
Tatsächlich fand sie vier Feldbetten vor, auf denen Kissen und Decken lagen. Tillie saß steif auf einem Stuhl und beobachtete, wie Melina den Säugling auf eines der schmalen Betten legte.
Als Lorelei sich zu Tillie stellte und sie leicht an der Schulter berührte, zuckte die junge Frau erschrocken zusammen, als hätte man sie aus dem tiefsten Schlaf geholt.
Mit großen Augen starrte sie Lorelei an.
„Sie sind alle tot",
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