Wilde Rosen auf Mallorca
Gilbraith saß an einem Tisch nahe dem Fenster und blickte uninteressiert auf die Boote hinaus, die in der Bucht segelten. Die Frau sah ebenso schick wie gestern aus. Sie trug ein blaues Sommerkleid, das ihre tiefe Bräune betonte und ihr Haar, das lose auf ihre Schultern fiel, noch blonder wirken ließ. Wenn Juliet geschäftlich gekleidet war, dann war diese Frau für einen Tag in der Sonne gekleidet.
Juliet reckte die Schultern, als sie sich der anderen Frau näherte, und sammelte sich, um zuversichtlich und selbstsicher zu wirken. “Miss Gilbraith?”
Auf diese Frage drehte sich die andere Frau mit einem herzlichen Lächeln zu ihr um und erhob sich mit einer fließenden, beeindruckenden Bewegung. Unmöglich, dass sie nur Liams persönliche Assistentin war …
“Miss Berkley”, grüßte sie herzlich, und ihre tiefblauen Augen lächelten ebenfalls. “Nennen Sie mich bitte Diana!”
Unter den gegebenen Umständen hatte sich Juliet darauf vorbereitet, die andere Frau nicht zu mögen, aber es war unmöglich, dieser Herzlichkeit zu widerstehen. “Juliet”, erwiderte sie verlegen. “Ist Mr. Carlyle nicht hier?” Das war er offensichtlich nicht, aber wie sonst sollte sie das Thema nach Liams Verbleib anschneiden?
“Setzen wir uns doch, ja?” schlug Diana ruhig vor und wartete, bis sie beide Platz genommen hatten, bevor sie das Gespräch wieder aufnahm. “Unglücklicherweise musste Liam heute früh abreisen”, erzählte sie Juliet bedauernd. “Aber er bat mich, ihn bei Ihnen zu entschuldigen.”
Juliet war eigentlich darauf gefasst gewesen. “Wann wird er zurückkommen?” forschte sie, angestrengt darum bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen.
“Das sagte er nicht.” Diana Gilbraith zuckte vage die Schultern. “Aber Liam ist nun mal so”, fügte sie hinzu. “Er wird mich anrufen, wenn er mich braucht.”
Juliet konnte sich gut vorstellen, dass er das tun würde. Aber irgendwie mochte sie die andere Frau und hatte das Gefühl, kein Recht zu haben, irgendetwas zu vermuten, was sie und ihren Arbeitgeber betraf. Etwas an Diana Gilbraith verriet ihr, dass es eine völlig falsche Vermutung sein würde.
Natürlich mochte das mit dem Ehering zu tun haben, den Diana trug, wie Julia sich eingestand. Sekunden zuvor hatte sie den schlichten Goldring, der neben einem großen diamantenbesetzten Verlobungsring steckte, bemerkt.
Aber das alles half Juliet auch nicht weiter. Sie musste Liam Carlyle sprechen, und der schien einfach irgendwohin verschwunden zu sein.
Sie seufzte schwer. “In diesem Fall gibt’s wohl nichts mehr zu sagen.” Sie schnitt eine Grimasse und stand auf. “Danke dafür, dass Sie mich das wenigstens haben wissen lassen”, fügte sie höflich hinzu. Es war schwerlich Dianas Schuld, dass ihr Arbeitgeber einfach verschwunden war.
“Oh, ich glaube, Sie verstehen nicht ganz!” sagte Diana. “Vielleicht habe ich mich auch nicht sehr gut ausgedrückt. Liam ist zu seiner Villa in den Hügeln gefahren. Er möchte, dass Sie ihm dort Gesellschaft leisten.”
Juliet starrte die andere Frau an und war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Ihre Miene, dessen war sie sich sicher, musste völlige Verständnislosigkeit ausdrücken.
Diana schüttelte schuldbewusst den Kopf. “Sie müssen mir verzeihen, Juliet. Liam hat mir ab heute eine Woche Urlaub gegeben, und ich bin ganz aufgeregt wegen der Aussicht, heim zu meiner Familie zu kommen. Aber das ist natürlich kein Grund dafür, dass ich so schwatze.” Sie verzog reumütig das Gesicht. “Liam möchte, dass Sie zu seiner Villa fahren und …”
“Fahren?” wiederholte Juliet benommen und ließ sich zurück in ihren Sessel fallen. Sie war bestürzt darüber, erfahren zu haben, dass Liam eine Villa auf der Insel hatte. Noch mehr bestürzte sie die Tatsache, dass er erwartete, dass sie dorthin fuhr. Sie war noch nie in einem Land mit Rechtsverkehr gefahren.
Diana nickte. “Draußen wartet ein Mietwagen auf Sie. Ich werde Ihnen den Weg erklären und natürlich eine Karte geben, damit Sie sich nicht verfahren.”
Es bereitete Juliet noch immer Probleme, das alles zu verarbeiten. Liam wollte, dass sie zu seiner Villa fuhr, die irgendwo auf der Insel lag, und wollte dort mit ihr über das Geschäft sprechen? Warum nicht hier? Warum musste sie zu seiner Villa fahren? Plötzlich wusste sie genau, warum. Liam Carlyle mochte es nicht, dass ihm gesagt wurde, was zu tun sei, und gestern Abend hatte sie die Zeit und den Ort ihrer Zusammenkunft
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