Wilde Rosen auf Mallorca
Aber sie schuldete William so viel …
“Vielleicht”, räumte sie distanziert ein. “Aber als persönliche Assistentin Ihres Vaters …”
“Und wie ‘persönlich’ war das?” Liam betrachtete sie mit verengten Augen über den Tisch hinweg.
Juliet schaute ihn scharf an. “Und was, Mr. Carlyle, wollen Sie damit andeuten?” fragte sie bissig.
Er zuckte die Schultern. “Mein Vater war alt genug, um Ihr Großvater sein zu können …”
“Wohl kaum, Liam”, fiel sie verächtlich ein.
“Er war fünfundsechzig, als er starb, Juliet”, erinnerte er sie kühl. “Mehr als alt genug, um Ihr Großvater zu sein.”
Sie hatte William nie unter diesen Gesichtspunkten gesehen, aber bei dieser Betrachtungsweise nach Lebensjahren hätte William tatsächlich ihr Großvater sein können. Aber dennoch …
“Warum haben Sie bei ihm gelebt, Juliet?” Liam gab ihr keine Chance zu antworten, bevor er wieder angriff. “Das ist doch in einer Geschäftsverbindung sicher nicht normal?”
Jetzt fühlte sie sich tatsächlich angegriffen. Dieser Mann, der in dieser Situation scheinbar völlig emotionslos wirkte, war offensichtlich keineswegs so gefasst, wie er vorgab. “Ihr Vater und ich waren Freunde und sonst nichts”, erwiderte sie abwehrend.
“Enge Freunde?”
Sie fühlte sich jetzt nicht nur angegriffen, sie wurde angegriffen. Daran bestand kein Zweifel. Liam betrachtete sie mit finsterer Miene.
Juliet verzichtete darauf, weiter zu versuchen, mit ihm zu essen. Sie vergeudeten beide nur ihre Zeit. “Ich schlage vor, wir treffen uns morgen früh um zehn in einem der Konferenzräume, Liam”, sagte sie gelassen zu ihm, während sie sich nach ihrer Handtasche bückte. “Wir können dann über alles sprechen, was Sie beschäftigt.”
Seine Augen wurden zu unheimlichen blauen Schlitzen. “Alles?”
“Was vernünftig ist”, ergänzte sie.
Er schüttelte den Kopf. “Ich denke nicht, dass Sie in der Position sind, Konditionen zu diktieren, Juliet”, erklärte er verächtlich.
Das dachte sie ebenfalls nicht. Aber sie hatte das Gefühl, dass, wenn sie diesem Mann auch nur ein bisschen Schwäche zeigte, er dies zu seinem Vorteil nutzen würde. Und um so erfolgreich zu werden, wie er es in den vergangenen zehn Jahren geworden war, musste er nach Regeln spielen, die er selbst bestimmte. Im Vergleich zu diesem Mann war sie eine Anfängerin.
“Möglicherweise nicht”, räumte sie ein und stand energisch auf. “Aber dennoch führe ich keine Geschäftsgespräche beim Abendessen. Und dies ist ein Geschäftsgespräch, Liam”, fügte sie entschlossen hinzu. “Wenn wir uns morgen treffen, werde ich die notwendigen Dokumente mitbringen, damit wir sachlich über ‘Carlyle Properties’ reden können.”
Er schenkte ihr einen Blick, der besagte, dass sie die Dokumente mitbringen könne, aber dass es ganz allein bei ihm lag, ob sie darüber sprechen würden oder nicht.
Juliet war von dem Blick erschüttert, doch es gelang ihr, ihm kühl zuzunicken, bevor sie sich umdrehte und den Speiseraum verließ …
Sie war noch immer über die Erkenntnis bestürzt, dass er Edward Carlyle war. Kein Wunder auch, dass die Begegnung mit Liam so heftige Erinnerungen an Simon ausgelöst hatte – die beiden Männer waren Brüder gewesen …!
Keiner der beiden hatte William auch nur entfernt geähnelt, und Juliet wusste, dass sie ganz nach Williams blonder, blauäugiger Frau geraten waren – der Frau, die nach Simons Geburt gestorben war.
Juliet war neunzehn gewesen und hatte im Büro von “Carlyle Properties” als Schreibkraft gearbeitet, als sie Simon kennen lernte, den fünfundzwanzigjährigen Sohn des Inhabers. Und beide fühlten sich von Anfang an zueinander hingezogen.
Zu dieser Zeit hatte Juliet nicht einmal gewusst, dass Simon einen Bruder hatte. Zwischen William und Edward hatte es, Jahre bevor sie in die Firma kam, Auseinandersetzungen gegeben, infolge deren sich Edward völlig von seiner Familie gelöst hatte. Umgekehrt war der Name Edward in seiner Familie auch nicht mehr erwähnt worden, und Fotos von ihm, die vielleicht einmal im Hause gewesen sein mochten, waren längst schon entfernt worden, als Juliet die Szene betrat.
Nicht, dass das Juliet etwas bedeutet hätte. Es war Familiengeschichte, und da sie selbst eine Waise war, hatten familiäre Beziehungen für sie ohnehin etwas Mysteriöses an sich. Zu der Zeit war sie viel zu sehr in Simon verliebt gewesen, um sich um etwas anderes zu kümmern. Und zu ihrem
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