Wilde Rosen auf Mallorca
verständnislos auf die Ströme von Tränen, die ihr jetzt über die Wangen liefen.
“Liam, bitte!” Sie blickte mit schmerzerfüllten Augen zu ihm auf. Ihr Gesicht war völlig weiß. Ihre Hände waren vor ihren Brüsten abwehrend zu Fäusten geballt.
Er runzelte die Stirn, schüttelte benommen den Kopf und atmete tief ein. “Oh Gott!” stöhnte er schließlich, wobei er sich neben sie auf das Bett warf und einen Arm vor die Augen nahm, als ob er die Erinnerung an das verdrängen wollte, was gerade fast geschehen wäre.
Juliet lag starr auf dem Bett, war unfähig, sich zu bewegen, zitterte zu heftig, um auch nur einen Versuch zu machen aufzustehen, obwohl sie in diesem Augenblick nicht mehr wollte, als so viel Entfernung wie möglich zwischen sich und Liam zu bringen.
“Verdammt!” Er sprang vom Bett auf, schritt zum Fenster hinüber und schaute blicklos auf die Auffahrt hinaus.
Juliets Benommenheit begann sich zu legen, doch dafür spürte sie den Schmerz jetzt umso intensiver. Liam hatte mit ihr schlafen wollen, gleich ob mit oder ohne ihre Zustimmung. Zweifellos hätte er es vorgezogen, wenn sie gewollt hätte, aber …
“Schau nicht so entsetzt drein!” befahl er barsch. Er sah sie von der anderen Seite des Zimmers an. Er war jetzt sehr blass, ein Nerv zuckte in seiner Wange. “Ich gebe zu, dass ich für ein paar Minuten nicht ganz bei Verstand war, aber ohne deine Einwilligung hätte ich nicht mit dir geschlafen!” Er schüttelte den Kopf, als wolle er damit andeuten, wie verrückt er gerade gehandelt hatte.
“Die hätte ich nie gegeben”, erwiderte sie heiser, überrascht, dass sie überhaupt Worte artikulieren konnte.
Liam atmete heftig ein. “Wahrscheinlich nicht”, räumte er eisig ein. “Das werden wir wohl nie wissen. Aber was ich weiß, ist”, fügte er schnell hinzu, als Juliet ihm versichern wollte, dass sie es ganz sicher wusste, “dass ich nicht länger in diesem Hause bleibe.” Er schaute sich um. “Es ist nur ein Haus. Und doch ist es für mich immer mit schlechten Erinnerungen verbunden!”
Und jetzt würden noch mehr darin sein! Juliet glaubte nicht, dieses Schlafzimmer je wieder betreten zu können, ohne sich an das zu erinnern, was hier mit Liam geschehen war.
Sie richtete sich langsam auf, spürte die Druckstellen, die er an ihrem Körper hinterlassen hatte. “Ich werde ausziehen”, sagte sie leise. Sie schaute ihn nicht einmal an. Sie wusste, dass sie hier nicht länger bleiben konnte. Es war vorher schon schlimm genug gewesen, aber jetzt …!
“Mein Vater hat dir das Haus vermacht, es gehört dir”, erinnerte Liam sie barsch.
Sie schüttelte den Kopf, bewegte sich wie ein Automat, während sie ihre Schuhe überstreifte. “Ich habe es nie gewollt. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber ich habe nie etwas von dem gewollt, was er mir hinterlassen hat. Aber William fühlte sich verantwortlich …” Sie brach plötzlich ab, drehte sich schnell um und sah Liam erschreckt an. Sie hatte zu viel gesagt, wie ihr seine düstere Miene verriet.
“Verantwortlich für was?” fragte Liam prompt.
Gott, das hatte sie mitgenommen! Nie würde sie …
“Juliet!” sagte er heftig.
Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen. “Nichts”, leugnete sie eilig. “Es war nichts.”
Er wirkte nicht überzeugt – und Juliet hatte das gewusst. Er war viel zu aufmerksam. Ihm entging wenig von dem, was um ihn herum geschah. Und er glaubte, sie sehr gut zu kennen. Das war nicht der Fall, aber er glaubte es.
Er schenkte ihr einen nachdenklichen Blick, während er langsam den Raum durchquerte, um dann vor ihr stehen zu bleiben. “Ich wollte dir heute Abend eine Frage stellen, Juliet, und ich glaube, du hast sie mir gerade beantwortet!” sagte er kalt.
Sie blickte zu ihm auf, und sein Gesichtsausdruck gefiel ihr überhaupt nicht. Warum gab ausgerechnet er sich angewidert? Sie war doch diejenige, die fast …
Liam verzog bissig den Mund. “Es war eine Verschleierung, nicht wahr, Juliet?” beschuldigte er sie erregt. “Eine Verschleierung, die ein Leben kostete …” Er brach ab, als Juliet unvermittelt aufstand.
Hatte sie ihn zuvor mit Entsetzen angesehen, war das nichts im Vergleich zu der schrecklichen Verzweiflung, die sie jetzt fühlte. Wie konnte er das so schnell wissen? Wie konnte er das Geheimnis, das sie und William so viele Jahre lang gehütet hatten, auch nur erahnt haben?
9. KAPITEL
L iam wandte sich von ihr ab, hatte die Hände tief in die Hosentaschen
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