Wilde Rosen: Roman (German Edition)
Plastiktüte mit den Utensilien für die Nacht zu finden, und brachte sie die Treppe hinunter zum Wagen. Es war ein uralter Kombi, außen schlammbespritzt, und drinnen roch es nach Hund, aber es war wunderbar warm.
»Clodagh liegt da hinten«, sagte er.
Sally wandte sich um. Die Rückbank war umgeklappt, und der Hund beanspruchte den gesamten freien Platz. Clodagh hob den Kopf, um Sally zu begrüßen, und sie war sicher, sie sah Mitgefühl in den dunklen Augen.
James Lucas’ Auto mochte Bilder von ländlicher Idylle heraufbeschwören, aber sein Fahrstil war alles andere als pastoral. Er schlängelte sich durch den Verkehr wie ein Londoner Taxifahrer und hielt im Parkverbot vor einer vierundzwanzig Stunden geöffneten Drogerie.
»Dauert nur eine Minute«, sagte er. »Ich hole nur ein paar Schmerztabletten und eine Wärmflasche. Sonst noch was?«
Sie schüttelte den Kopf. Bei allem Verständnis und trotz der Sache mit seinen Schwestern, sie brachte es einfach nicht fertig, ihm zu sagen, was sie am dringendsten brauchte. »Ich habe meine Zahnbürste und alles andere im Beautycase.«
»Das hab’ ich nicht gemeint.« Er lächelte, und sie sah, daß ein winziges Eckchen aus einem der Schneidezähne gebrochen war. »Genieren Sie sich nicht. Was darf’s sein? Super?«
Sally nickte mit brennenden Wangen.
»Bin gleich wieder da.«
Sally fing gerade an, nach Verkehrspolizisten mit Parkkrallen Ausschau zu halten, als er zurückkam. Er legte ihr eine Plastiktüte auf die Knie. Sie spähte hinein, damit sie ihn nicht ansehen mußte, und entdeckte neben einer Wärmflasche mit Flauschbezug, Aspirin und Tampax auch noch Schokoriegel und Schaumbad.
»Ich dachte, Sie hätten nicht viel Bargeld. Wie haben Sie das alles bezahlt?«
Er ließ den Motor an. »Mit meiner Kreditkarte. Ich nehme nicht an, daß Cleaning Undertaken die akzeptiert, oder?«
Sie wünschte beinah, er wäre ihr böse, weil sie ihm solche Umstände machte. Seine Freundlichkeit machte es schwierig, sich nicht fortwährend gehenzulassen. Seit ihrem elften Lebensjahr hatte sie niemand mehr so umhegt. Damals litt sie an Drüsenfieber. Ihre Mutter, ebenfalls Schauspielerin, befand sich gerade in einer »schöpferischen Pause« und hatte sie gepflegt. Sie hatten die drei glücklichsten Monate miteinander verbracht, an die sie beide sich entsinnen konnten. Doch als sie jetzt sah, daß sie vor der Wohnung hielten, die sie und die anderen so emsig geschrubbt hatten, fand sie ihre Stimme wieder.
»Hören Sie, ich glaube nicht, daß das eine gute Idee ist. Ich meine, mal angenommen, die Walkers würden mich in Ihre Wohnung gehen sehen. Sie wären entsetzt. Schon der Anblick meiner Leggings würde sie total erschüttern.«
»Sie können sich ja meinen Mantel über den Kopf hängen.« Er öffnete die Heckklappe für Clodagh.
Sally war nicht zu Scherzen aufgelegt. Sie stieg aus dem Auto und hielt den Kopf tief gesenkt, während sie die Treppe zu seiner Wohnung hinaufstiegen.
»Willkommen daheim«, sagte James und schloß die Tür auf.
Die Wohnung roch schwach nach Natronlauge und Desinfektionsmittel, und es war kalt. Aber als James einen Schalter berührte, flammten die Deckenleuchten auf.
»Sie wissen ja, wo das Bad ist. Und ich schlage vor, anschließend kommen Sie in die Bibliothek. Da ist ein Elektroofen.«
Sein geschäftsmäßiger Ton nahm der Situation alle Peinlichkeit. Sally tat einfach, was er gesagt hatte. Die Bibliothek war deutlich wärmer als der Rest der Wohnung. Eine uralte Heizsonne – drei rotglühende Heizspiralen über ein paar glitzernden Plastikkohlen, die ein schwaches Aroma von verbrennendem Staub und göttliche Wellen wohliger Wärme abgaben.
Clodagh hatte das Sofa mit Beschlag belegt, aber James befahl ihr, es Sally zu überlassen, weil sie es dringender brauche. Sally streckte sich langsam aus und hoffte, Clodagh würde nicht auf die Idee kommen, daß Schwestern alles solidarisch teilen sollten, und sie erdrücken.
»Ich suche Ihnen eine Decke, und sobald ich meine Sachen aus dem Wagen geholt habe, mache ich Ihnen etwas zu trinken.«
Der Mann ist ein Heiliger, dachte Sally und streifte ihre Schuhe ab.
Er kam mit einer Reisedecke zurück, die schwach nach Mottenkugeln roch. Er deckte sie fürsorglich zu und stopfte die Decke um ihre Füße fest.
»Das machen Sie wirklich sehr gut«, sagte Sally.
»Ich habe reichlich Übung. Als Farmer muß man schon mal öfter krankes Vieh versorgen.«
Sally brauchte eine Millisekunde, bis ihr
Weitere Kostenlose Bücher