Wilde Rosen: Roman (German Edition)
wäre gar nicht nötig. Ich muß am Montag wieder in London sein. Aber ...«
»Heißt das, ich kann mitkommen?« Sally sah mit einem Blick zu ihm auf, der viel Ähnlichkeit mit Clodaghs hatte.
Harriet fragte sich, wie irgendein Mann Sally widerstehen konnte. Ihre Augen waren so groß wie Untertassen, sie wirkte so langbeinig und verletzlich wie ein neugeborenes Füllen. May entschied, daß James vor seiner eigenen Torheit gerettet werden mußte.
»Wirklich, Sal, du kannst dich doch nicht selbst einfach so übers Wochenende einladen«, sagte sie und tat schockiert.
James nickte. »Mein Haus ist absolut ungeeignet für Gäste. Sie haben die Wohnung meines anderen Onkels gesehen? Nun, sie waren Zwillingsbrüder und hatten allerhand gemeinsam.«
»Auf dem Land ist es furchtbar kalt um diese Jahreszeit«, warnte Harriet, die sich nicht vorstellen konnte, wie Sally mit dem Landleben im Winter fertig werden sollte.
»Und schrecklich matschig«, fügte May hinzu, trotz ihrer Sehnsucht, Sally aus dem Weg zu haben.
»Also wirklich! Wenn man euch hört, könnte man meinen, ich würde beim ersten Regentropfen zerschmelzen. Ich bin waschbar, wißt ihr.« Sally kam auf die Füße und stützte sich auf James’ Knie auf. »Ich geh’ nur schnell ein paar Sachen packen.«
May und Harriet sahen hilflos zu James. »Wenn Sie nicht möchten, daß sie mitfährt, sagen Sie es einfach«, riet May. »Sie müssen nur hart bleiben.«
Harriet erkannte, daß ein Teil von James Sally sehr wohl mitnehmen wollte, doch er fürchtete, daß sie sich unwohl fühlen und ihren Entschluß bereuen könnte. »Aber Sally ist im Grunde wirklich unkompliziert. Obwohl sie Schauspielerin ist, hat sie überhaupt keine Primadonna-Allüren.«
»Sie ist Schauspielerin?« James’ struppige Brauen fuhren in die Höhe. »Das erklärt so einiges.« Er schälte sich ohne viel Eleganz aus dem Sessel und stand auf. »Sie wäre todunglücklich. Ich sag’ ihr, ich kann sie nicht mitnehmen.«
»Ich werde überhaupt nicht unglücklich sein«, widersprach Sally, die gerade aus Mays Schlafzimmer zurückkam. »Ich werd’ helfen, das Haus in Ordnung zu bringen.« Sie trug eine Sporttasche über einem Arm und dachte, wenn er ihr sagte, sie müsse auch nur zehn Minuten länger auf diesem Boot bleiben, würde sie in Tränen ausbrechen. »Ich muß einfach mal raus. Ich werde nicht jammern, ich versprech’s.«
»Wirklich, es ist schrecklich primitiv ...«
»Ich hab’ schon in den fürchterlichsten Behausungen gewohnt, das macht mir nichts. Solange Sie keine Wanzen in den Betten haben ...«
»Grundgütiger! Das will ich nicht hoffen.«
»Dann würde ich wirklich furchtbar gerne mitkommen, bitte.«
James sah auf Sally hinab. In ihren Augen lag ein flehender Blick, und unvergossene Tränen schimmerten darin. Er konnte nicht sagen, ob sie eine Rolle spielte oder aufrichtig war, aber er war jedenfalls kein Mann, der es fertigbrachte, einen Hund in die kalte Nacht hinauszujagen. Und Sally war kein Hund.
»Einverstanden. Dann fahr’ ich Sie Sonntag abend zurück.«
Im nächsten Moment waren Harriet und May allein an Bord. Sie zogen die Vorhänge zurück und sahen James mit Sallys Tasche die Schleuse überqueren, während sie hinterhertrippelte.
»Sie hat nicht mal die richtigen Schuhe für so was«, sagte Harriet. »Wir hätten ihr packen helfen sollen.«
»Sie ist absolut schamlos. Wie kann sie sich nur so aufdrängen? James wollte sie überhaupt nicht.«
»O doch, er wollte sie«, erwiderte Harriet trocken. »Aber nicht als Wochenendgast.«
»Sie hat ihn gräßlich manipuliert.«
»So haben Frauen bis heute überlebt.« Harriet wünschte sich sehnlichst, sie wüßte, wie man Männer manipuliert. Doch im tiefsten Innern wußte sie, daß Leo selbst gegen die ausgeklügeltsten Überredungsküste immun wäre. Sie seufzte tief, was ihr einen kritischen Blick von May eintrug. »Andererseits bedeutet es, daß wir mehr Platz haben«, fuhr sie fort, um dem Blick auszuweichen. »Und wir können eine dauerhafte Unterkunft für Sally suchen, wenn sie wieder da ist.«
»Ich denke, Sally hat ihre dauerhafte Unterkunft schon gefunden«, sagte May. »Es würde mich wundern, wenn sie nicht bis spätestens Ende nächster Woche in die Wohnung des anderen Onkels zieht.«
»Nun, ich muß zugeben, so gern ich sie auch hab’, es war furchtbar anstrengend mit ihr hier. Das Boot ist wunderbar für zwei, aber einfach nicht groß genug für drei.«
»Stimmt.« May wußte, daß
Weitere Kostenlose Bücher