Wilde Schafsjagd
– das Los der Siedler blieb hart. Im August besaß zwar jede Familie ihre eigene Hütte, aber sie waren aus grob behauenen Stämmen mehr schlecht als recht zusammengeflickt, sodass im Winter unbarmherzig der Schnee hereinwehte. Es war durchaus nicht ungewöhnlich, morgens aufzuwachen und neben dem Kopfkissen einen Haufen Schnee vorzufinden. Pro Haushalt gab es meist auch nur ein Bettzeug, sodass die Männer sich am Feuer wärmen und in Strohmatten gewickelt davor schlafen mussten. Als sie ihre Vorräte verbraucht hatten, mussten sie Flussfische fangen und im Schnee nach bereits schwarz verfärbtem Huflattich und Farnen graben. Es war ein sehr strenger Winter, aber sie hatten keine Verluste durch Tod zu beklagen. Es gab keinen Streit und auch keine Tränen. Ihre Waffe war die angeborene Armut.
Der Frühling kam, zwei Kinder wurden geboren, und die Zahl der Dorfbewohner wuchs auf einundzwanzig. Noch zwei Stunden vor der Geburt hatten die schwangeren Frauen auf dem Feld gearbeitet und gingen schon am nächsten Morgen wieder hinaus. Auf den neuen Feldern bauten sie Mais und Kartoffeln an, die Männer fällten Bäume und verbrannten die Wurzeln, um weiteres Land zu gewinnen. Leben entsprang der Erde, die Triebe begannen, junge Früchte zu tragen, aber gerade, als die Siedler erleichtert aufatmeten, kamen die Heuschrecken.
Sie kamen über die Berge. Zuerst sahen sie aus wie eine große dunkle Wolke. Dann hörte man das näher kommende Dröhnen. Niemandem war klar, was eigentlich geschah. Nur der junge Ainu wusste Bescheid. Er befahl den Männern, überall auf den Feldern kleine Feuer zu legen. Mit ihrem letzten Öl übergossen sie die wenigen Möbelstücke, die sie besaßen, und zündeten sie an. Die Frauen brachten die Kochtöpfe und schlugen wie wild mit Stößeln darauf herum, um Lärm zu machen. Der Ainu tat (wie später alle einsahen), was in seiner Macht stand, aber es war umsonst. Hunderttausende von Heuschrecken ließen sich auf den Feldern nieder und fraßen alles, was zu fressen war. Sie ließen kein einziges Hälmchen zurück.
Als sie schließlich vorübergezogen waren, warf sich der junge Ainu aufs Feld und weinte. Von den Bauern weinte niemand. Sie kehrten die toten Heuschrecken zu einem Haufen zusammen und verbrannten sie. Als das Feuer erlosch, hatten sie schon wieder mit dem Roden begonnen.
Und wieder überlebten sie den Winter mit Flussfisch, Farn und Huflattich. Der Frühling kam, drei Kinder wurden geboren, und die Bauern bepflanzten die Felder. Im Sommer kamen wieder die Heuschrecken und fraßen alles kahl. Dieses Mal weinte der junge Ainu nicht mehr.
Im dritten Jahr blieben sie endlich von Heuschrecken verschont, denn deren Eier waren durch den langen Regen verfault. Aber gleichzeitig hatte der Regen auch die Ernte verdorben. Im nächsten Jahr gab es eine Maikäferplage, und der darauf folgende Sommer war zu kalt.
Als ich bis dahin gelesen hatte, klappte ich das Buch zu, trank eine zweite Dose Bier, nahm mein Lunchpaket mit Reis und rotem Kaviar aus der Tasche und begann zu essen.
Meine Freundin saß mir gegenüber und schlief, die Arme über der Brust verschränkt. Herbstliche Morgensonne fiel durchs Fenster und bedeckte mit einer dünnen Decke aus Licht sachte ihr Knie. Eine kleine Motte, die irgendwo hereingekommen war, flatterte unsicher umher wie ein Papierschnipsel im Wind. Schließlich ließ sie sich auf dem Busen meiner Freundin nieder und ruhte dort eine Weile aus. Als die kleine Motte wieder davonflog, sah meine Freundin ein ganz klein wenig älter aus.
Ich rauchte noch eine Zigarette, dann schlug ich das Buch wieder auf und setzte meine Lektüre der Geschichte der Stadt Junitaki fort.
Im sechsten Jahr bewies das junge Dorf endlich Lebenskraft. Die Saat wurde reif, die Hütten wurden ausgebessert, und die Leute hatten sich an das Leben in der Kälte gewöhnt. Man verwandelte die groben Holzhütten mit Hilfe von Brettern in richtige Holzhäuser, Öfen wurden gebaut und Öllampen angebracht. Die Leute luden überschüssige Ernte, Trockenfisch und Hirschhorn in Boote und brachten die Fracht in die zwei Tage entfernte Stadt, um sie gegen Salz, Kleidung und Öl einzutauschen. Einige lernten, aus den beim Roden gefällten Bäumen Holzkohle zu machen. Weiter unten am Fluss entstanden weitere Dörfer; Handel entwickelte sich.
Mit der weiteren Urbarmachung des Landes wurde der Arbeitskräftemangel zu einem ernsten Problem. Die Dorfbewohner hielten eine Versammlung ab und beschlossen
Weitere Kostenlose Bücher