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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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nicht bereits genug angetan?«
    Wie die dümmste Touristin hätte Tabitha am liebsten gejammert, sie wäre, um Himmelswillen, keine Engländerin, sondern Amerikanerin. Aber da Amerika noch nicht entdeckt war, bezweifelte sie, dass eine derartige Korrektur Sinn machte. Die Frauen standen in der Nähe, als hofften sie auf einen Kampf.
    »Ich habe lediglich versucht zu helfen. Als Jenny zu mir kam …«
    Plötzlich drückte Magwyns Miene bei allem Zorn auch Trauer aus. »Zu Euch gekommen, was redet Ihr da für ungereimtes Zeug! Wenn sie zu irgendjemandem gehen würde, dann ja wohl eher zu ihrer eigenen Mutter - meint Ihr nicht auch?«
    Iselda mischte sich vermittelnd ein, und instinktiv kam sie zu dem Schluss, dass sie besser zu Tabitha, im Augenblick der Vernünftigeren der beiden Frauen, sprach. »Sicher werdet Ihr Magwyns Unglück verstehen! Nur für die allerschlimmsten Vergehen werden einer Frau jemals die Haare abgehackt.« Sie zählte diese Vergehen an ihren Fingern auf. »Diebstahl, Ehebruch, Unzucht, Sodomie, Hurerei, Wollust…« Sie errötete bis unter die Haarwurzeln, als ihr Blick auf Tabithas kurzen Rundschnitt fiel.
    Ms. Lennox wurde starr. Wahrscheinlich glaubten diese Frauen, sie hätte sich nicht nur mit ihrem Herren, sondern zuvor auch mit diversen anderen Subjekten der meisten dieser und darüber hinaus noch anderer unaussprechlicher Sünden
schuldig gemacht. Angesichts der Ironie dieser Überlegungen hätte sie beinah gelacht. Beinah.
    »Der Rat sitzt gerade zusammen, Magwyn«, sagte die alte Frau, während sie ernst an ihrer Pfeife sog. »Am besten wendest du dich mit deiner Beschwerde an den Herrn.«
    »Ja, an den Herrn«, wiederholte eine andere.
    »Granny Cora hat Recht. Mylord wird wissen, was mit ihr zu tun ist«, pflichtete eine Dritte den beiden bei.
    Nach einem Augenblick angespannter Stille nickte Magwyn schließlich müde. Sie entriss Tabitha ihre Tochter, als die anderen Frauen eine undurchdringliche Mauer bildeten und die Angeklagte vor sich her trieben.
    Tabithas selbstbewusster Schritt geriet erst in dem Augenblick ins Wanken, als ihr der Gedanke kam, dass sie nicht wissen konnte, ob Colin auf ihrer Seite stünde oder auf Seiten der Dörflerinnen.

14
    Als die Gruppe Frauen den Hügel heruntermarschiert kam, hätte Colin gerade am liebsten entweder seinen eigenen oder den Kopf eines anderen wütend auf den Tisch geknallt. Aus diesem Grund freute er sich über die bevorstehende Abwechslung. Selbst die schrille Kakophonie keifender Stimmen war sicher angenehmer als auch nur ein weiterer Augenblick der Auseinandersetzung mit Jungen, die sich wie Männer fühlten, und mit Männern, die sich aufführten wie Kinder.
    Seine Erleichterung verflog jedoch, als er sah, dass Tabitha den Mob anführte.

    Als sie sich ihm näherte, erhob sich Colin in Erwartung irgendeiner bevorstehenden Herausforderung entschieden von seinem Platz. Seit ihrer Begegnung an dem Teich wurde er von der steten Vorstellung ihrer seidig weichen, um seine Hüften geschlungenen Beine, geplagt.
    Trotz oder vielleicht gerade wegen ihres stolz gereckten Kopfes fürchtete er aber nun, dass Tabitha nicht die Anführerin, sondern das Opfer der Weibertruppe war. Und als sie den Tisch erreichten, bestätigte Magwyn, indem sie die Fremde unsanft knuffte, seinen Verdacht.
    Ehe Tabitha stolpern konnte, fing er sie auf. »Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er leise nicht die Frau in seinen Armen, sondern Magwyn, die ihn missbilligend anstarrte.
    Sie antwortete ihm, indem sie ein Kind hinter ihren Röcken hervorzerrte und in seine Richtung schob. »Seht Euch das an! Seht Euch an, was das Weib mit meiner Tochter gemacht hat!«
    Colin runzelte die Stirn und blinzelte. Um ein Haar hätte er das verwilderte Geschöpf, das er am Vorabend nur kurz erblickt hatte, nicht wiedererkannt. Sein Gesicht wurde von einem Kranz seidiger goldener Locken gerahmt, und es war so sauber geschrubbt, dass seine Haut rosig schimmerte.
    »Eine deutliche Verbesserung. Ich denke, Ihr solltet Euch darüber freuen.«
    »Ihre Haare!« jammerte Magwyn. »Seht Euch an, wie sie die wunderbaren Haare meiner Jenny abgesäbelt hat!«
    Seufzend drehte Colin Tabitha zu sich herum. »Habt Ihr dem Kind die Haare abgeschnitten?«
    Sie sah ihn unerschrocken an. »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil sie mich darum bat.«
    Magwyn schnaubte wütend auf. »Ich nehme an, als nächstes
werdet Ihr behaupten, sie hätte mit Euch gesprochen - obgleich sie seit über einem Monat mit ihrer

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