Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
seiner Geliebten begrüßt hatte.
    »Verbrennt sie!«, schrie ein alter Mann und fuchtelte mit seinen dünnen Fäusten durch die Luft.
    »Ja, sie hat gestanden, dass sie eine Hexe ist. Wir müssen sie verbrennen«, pflichtete Granny Cora ihm, wenn auch traurig, bei.
    »Ich dachte, ihr verbrennt nur Häretiker«, widersprach Tabitha schwach.
    Der stets hilfsbereite Chauncey klärte sie beflissen auf: »Hexen werden erst erwürgt und dann verbrannt.«
    Das Murmeln der Menschen machte lauten Rufen Platz. Tabitha fuhr sich an die Kehle, während sie sich, ohne es zu merken, Schutz suchend in Colins Richtung schob. Jenny fing an zu weinen und ihr herzzerreißendes Schluchzen hatte in dem Durcheinander gerade noch gefehlt.
    »Es reicht!«
    Colins Ruf brachte sie alle, selbst die überraschte Jenny, zum Verstummen. Als er seine Hände auf Tabithas Schultern
legte, wurden ihr vor Erleichterung die Knie weich. Sie hätte wissen müssen, dass er sie niemals im Stich ließe. Er war ihr Held, ihr Retter, ihr Schicksal - der Mann, um dessen Liebe willen sie mehr als sieben Jahrhunderte durchquert hatte.
    Er strich ihr derart zärtlich über den Halsausschnitt, dass sie am liebsten dahingeschmolzen wäre, ehe er sagte: »Ich habe die Hexe hierher in euer Dorf gebracht.« Seine leise, verzweifelte Stimme knirschte in der angespannten Stille wie kalter Stahl auf weichem Samt. »Also ist es meine Aufgabe, sie zu verbrennen.«

DRITTER TEIL
    Die Verzückung
    Nothing is easier than self-deceit.
For what each man wishes, that he
also believes to be true.
     
    Nichts ist leichter als Selbsttäuschung.
Denn was der Mensch sich wünscht,
das hält er auch für wahr.
    DEMOSTHENES

17
    »Es wird dir wahrscheinlich wesentlich mehr wehtun als mir.« Tabitha schob sich mit ihren gefesselten Händen eine schweißnasse Strähne aus der Stirn, während sie hinter Colin den steilen Pfad hinaufwankte. »Das habe ich meinem Daddy damals auch gesagt, als er mich dafür bestrafen wollte, dass ich mich in sein Bankkonto gehackt und elektronische Überweisungen an Greenpeace vorgenommen habe. Und da hat er dann so gelacht, dass er vollkommen vergaß, mir den Hintern zu versohlen.«
    Colins Miene verriet nicht die geringste Belustigung. Seit dem grauenhaften Augenblick, in dem sie ihr Geheimnis preisgegeben hatte, war sein Gesicht in regloser Entschlossenheit erstarrt.
    Sie seufzte, da sie nicht wusste, wie lange sie noch ihr nervöses Geplauder aufrechterhalten könnte. Bereits über eine Stunde kletterten sie den Berg aufwärts, und bisher hatte er kein Wort gesagt. Tabitha war schon vorher Opfer seines grüblerischen Schweigens gewesen; aber dieses hier war irgendwie anders, wie ein tiefer, dunkler Strom, der sich durch eine unterirdische Höhle wand. Es hätte ihr vorkommen können, als marschiere sie allein gen Himmel, hätte sie nicht schmerzlich das straff um ihre Handgelenke gespannte Seil gespürt, dessen Ende Colin in einer seiner Fäuste hielt.
    Obgleich er sie dergestalt an sich gebunden hatte, hatte er sie seit seinem harschen Urteilsspruch nicht ein einziges Mal
direkt berührt. Ewan war derjenige gewesen, der sie auf Geheiß seines Herren gefesselt und Chaucey, der Colin das andere Ende des Seils in die Hand gegeben hatte. Daraufhin setzte sich Tabitha schweigend hinter ihm in Bewegung und dachte an das zwischen ihren Brüsten tanzende Amulett. Colin musste doch mittlerweile wissen, dass es magische Kräfte besaß. Trotzdem hatte er ihre Hände genau in der Höhe vor ihren Körper fesseln lassen, dass sie es mit ihren Fingern berühren könnte, hätte sie den Mut dazu.
    Es wollte ihr scheinen, als verspotte der Sommernachmittag sie mit seiner Schönheit. Wildblumen schoben sich durch sämtliche Felsspalten und ergossen sich in einem bunten Wasserfall über den Berg. Eine Gruppe Kiefern ragte über ihren Köpfen auf und versprach müden Wanderern Schatten und Erholung auf dem mühseligen Weg. Eine laue Brise liebkoste ihr Gesicht. Die schottische Landschaft wirkte wie der idyllische Hintergrund eines der Märchen, die ihre Mutter ihr so häufig erzählt hatte - wie zum Beispiel Die Prinzessin und der Scheiterhaufen oder Kleines geröstetes Rotkäppchen. Angesichts der scharfen Axt, die an Colins Gürtel baumelte, hegte Tabitha irgendwie den Verdacht, dass dieses grimmige Märchen ganz bestimmt kein gutes Ende nahm.
    »Du hättest mir meinen Pyjama zurückgeben sollen«, klärte sie Colins starren Rücken auf. »Die Bundesgesetze verlangen,

Weitere Kostenlose Bücher