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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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reglos zu dem schwarzen, leeren Himmel auf. Sein gequältes Profil war gleichermaßen schön und schrecklich anzusehen, wie das Renaissance-Fresko eines gestürzten Engels, der darum rang, seinen rechtmäßigen Platz in Gottes Reich zurückzuerhalten.

    Als er schließlich den Kopf senkte und sich erhob, wusste Tabitha, wer der Sieger dieses Kampfes war.
    Sie stand in der Mitte der Hütte, straffte die Schultern und blickte entschlossen auf die Tür. Gott mochte Colin gnädig sein, sie hingegen wäre es ganz sicher nicht.
    Seiner normalen Geschicklichkeit beraubt, nestelte er mühsam an dem Griff herum. Seine Unbeholfenheit verreit, wie viel es ihn kostete, die Hütte zu betreten.
    Als die Klinke am Ende doch nachgab, hätte Tabitha beinahe erwartet, einen schlanken, dunkelhaarigen Jüngling in der Öffnung stehen zu sehen. Doch es war der breite Schatten eines Mannes, der auf sie fiel, eines Mannes, der die Macht über Leben und Tod in seinen Händen hielt.
    Sein unbewegter Gesichtsausdruck ließ nicht erkennen, wie sehr es ihn bestimmt enttäuschte, dass sie seiner Aufforderung, einfach zu verschwinden, nicht nachgekommen war. Er schlang sich das lose Ende ihrer Fessel um die Hand und führte sie beinahe sanft über das taunasse Gras in Richtung des für sie vorgesehenen Pfahls.
    Ohne ihr ins Gesicht zu sehen, senkte er den Kopf und machte den Knoten ihrer Fessel los.
    »Deine Prinzipientreue ist geradezu bewundernswert«, sagte sie in möglichst leichtem Ton. »Dort, wo ich herstamme, haben nur noch die wenigsten Menschen Prinzipien.«
    Zum ersten Mal an diesem Tag sah er sie böse an. Sie setzte sich nicht einmal zur Wehr, als er sie rückwärts auf den Scheiterhaufen schob und ihre Hände hinter dem Pfahl zusammenband. Sein heißer Atem versengte ihr fast das Haar, und seine Hände zitterten derart, dass er den Knoten beinahe nicht zubekam.
    Tabitha wusste, wie riskant es für sie war, auf die Verwendung des Amuletts zu verzichten. Doch zum ersten Mal in
ihrem Leben wollte sie jemand anderem vertrauen. Falls sich herausstellte, dass sie Colin falsch beurteilt hatte, wäre dies der krönende Abschluss eines Lebens, in dem sie ohnehin stets alles verpfuscht hatte.
    Als wäre er während des Bindens ihrer Fessel um mindestens zehn Jahre gealtert, schleppte er sich müde um den Pfahl herum.
    »Aber du wirst mich doch sicher vorher erwürgen, oder etwa nicht? Wenn du es nicht tätest, wäre ich wirklich enttäuscht. Schließlich war dein Sinn fürs Protokoll etwas, was ich bisher immer sehr an dir bewundert habe.« In Tabitha flackerte ein absurder Hoffnungsschimmer auf. Um sie zu erwürgen müsste er sie anfassen.
    »Du lässt mir keine andere Wahl«, kam seine heisere Erwiderung. »Schließlich heißt eins unserer obersten Gesetze: Du sollst keine Hexe am Leben lassen!«
    »Und: Du sollst nicht töten«, ergänzte sie, dankbar, dass sie sich wenigstens an eins der Gebote erinnerte.
    Er wandte sich zögernd von ihr ab, als fiele es ihm immer schwerer, ihr nicht ins Gesicht zu sehen. »Gibt es vielleicht irgendetwas, was du zu deiner Verteidigung vorzubringen hast?«
    Tabitha zuckte mühsam mit den Schultern. »Ich habe meine Kreditkarten immer bezahlt, bevor irgendwelche Zinsen anfielen.«
    »Hör auf, dich über mich lustig zu machen«, brüllte er, wirbelte herum und funkelte sie an.
    Ihre Hoffnung wandelte sich in Triumph. »Oder was? Erwürgst du mich sonst und verbrennst meinen Leichnam, bis nur noch ein Häufchen Asche übrig ist?«
    Als Colin auf sie zu marschierte und seine Hand um ihre Kehle legte, dachte sie, genau das würde er tatsächlich tun.
Aber sein Griff war sanft und seine Stimme flehend, als er sie aufforderte: »Leugne, dass du eine Hexe bist! Leugne deine übersinnlichen Fähigkeiten, und ich lasse dich frei. Selbst um den Preis meines Seelenfriedens. Leugne es. Dann lasse ich dich gehen, und du wirst mich nie wieder sehen.«
    Ihr hilfloser Blick fiel auf sein starrsinnig gerecktes Kinn, auf seinen köstlich geschwungenen Mund. Wie sollte sie ihm sagen, dass genau das die Drohung war, die sie mehr fürchtete als den Tod?
    Am liebsten hätte sie ihm seinen Wunsch erfüllt, aber sie hatte ihr ganzes Leben mit dieser Lüge zugebracht. Wenn Arian in diesem Augenblick in ihrer Nähe wäre, wüsste sie die Tatsache hoffentlich zu schätzen, dass sie bereit war für etwas zu sterben, was ihr stets verhasst gewesen war. Endlich hatte sie erkannt, dass ihre übernatürlichen Kräfte ebenso ein Teil

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