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Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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sämtliche Menschen im Hof erstarren.
    Alle außer Colin.
    Der überließ das Baby Nana und rannte Richtung Turm. Tabitha wusste, er würde es nicht schaffen. Er war ein Held, aber kein Supermann. Und wenn er versagte, würde er sich die Schuld an Jennys Absturz geben, ebenso wie er sich für Regans Selbstmord verantwortlich fühlte.

    Sie konnte beinahe hören, wie Jenny vor Anstrengung stöhnte, spürte förmlich, wie der raue Stein in ihre zarten Finger schnitt, und empfand selbst die brennende Scham, als sich das kleine Mädchen zum ersten Mal seit Jahren in die Hose machte.
    Als sich der Griff von Jennys linker Hand lockerte und ihre Finger verzweifelt durch die Luft fuhren, ballte Magwyn die Fäuste, als wüsste sie nicht, ob sie ihr Gesicht in ihren Händen vergraben oder besser die Faust gegen den grausamen Himmel schütteln sollte.
    Colin öffnete gerade mühsam die Außentür des Turms, als Jenny fiel. Seltsamerweise war es Magwyn, die totenstill wurde, als Jennys gellender Schrei in ihrer aller Ohren drang. Colin drehte sich hilflos und gequält um, als das Kind mit wild zappelnden Armen und Beinen zur Erde segelte.
    Tabitha erinnerte sich nicht daran, dass sie das Amulett umfasst hatte. Hätte nicht sagen können, wann genau sie ihre Unsicherheit und Ängste überwunden und sich stärker als je zuvor in ihrem Leben etwas gewünscht hatte …
    Jennys Schrei verwandelte sich in ein glückseliges »Aa-a-a-a-ah …«, als sie plötzlich langsam wie eine Feder, den Rock gebläht à la Mary Poppins Schirm, weiterschwebte und sicher in Tabithas ausgestreckten Armen landete. Tabitha vergrub ihr Gesicht an dem verschwitzten Hals des Kindes und genoss das Gefühl ihres mageren, kleinen Leibs.
    Das Kind entwand sich rudernd ihrem festen Griff und starrte sie verwundert an. Seine vom Schreien heisere Stimme drang zu allen, die ringsum den Atem anhielten. »Ihr habt mich wirklich gut gefangen, Lady Tabby. Seid Ihr vielleicht eine Hexe?«
    Tabitha blickte in die verwunderten Gesichter der Umstehenden. Colin setzte langsam seine Brille ab und wirkte
ebenso verwirrt wie alle anderen. Sie schloss kurz die Augen und betete, dass er verstand.
    Sie konnte das hoffnungsvolle Kind vor ihr nicht belügen, ebenso wie sie Colin auf Dauer nicht weiter belügen durfte. Die Vergangenheit war ihre Gegenwart geworden und Colin ihre Zukunft. Welch besseren Zeitpunkt konnte es da geben, das Erbe endlich anzunehmen, das sie bisher stets verleugnet hatte? Welch besseren Ort als dieses zauberhafte Königreich, in dem Ritter in schimmernden Rüstungen gegen das Böse zu Felde zogen und wo der mächtigste Zauber wahre Liebe war?
    Beinahe hätte Tabitha sich gewünscht, ihre Mutter könnte ihr stolzes Geständnis mit anhören, als sie sich zärtlich an das kleine Mädchen wandte, ehe sie über seinen Kopf hinweg liebevoll Colin in die Augen sah. »Ja, meine Liebe. Ich bin eine Hexe.«
    Stille senkte sich über den Hof. Eine so tiefe Stille, dass Tabitha das papierne Rascheln von Schwalbenflügeln in der Kapelle droben ebenso wie das leise Knirschen eines Steins vernahm, als jemand unwillkürlich einen Schritt nach hinten trat.
    Colin ließ ihre Brille fallen, wurde weiß wie Mehl und starrte sie vollkommen reglos an. Es war beinahe, als wäre er bei ihrem plötzlichen Geständnis zu einer Salzsäule erstarrt.
    Und nun riss auch Magwyn ihr Jenny aus den Armen. »Aber, Mama«, jammerte das kleine Mädchen. »Der Sturz hat wirklich Spaß gemacht. Meinst du, dass ich noch einmal springen darf?«
    »Still, Kind«, antwortete Magwyn barsch, während sie mit einer Miene, die Entsetzen und Enttäuschung ausdrückte, vor Tabitha zurückzuweichen begann.
    Tabitha brauchte nicht lange, um zu sehen, dass Magwyns
Reaktion allen anderen als Beispiel diente. Einige wichen von ihr zurück, manche murmelten Stoßgebete und schlugen das Kreuz. Hilflos musste sie mit ansehen, wie sich Gesichter, die sie noch vor wenigen Minuten angestrahlt hatten, in bedrohliche Masken verwandelten. Arjon war der Einzige, der eine Spur von Mitgefühl verriet, was seltsamerweise noch schlimmer war als die offene Verdammnis durch die anderen.
    »Huch«, entfuhr es ihr.
    Sie hatte schon vorher Riesenfehler gemacht - aber dieser hier übertraf vielleicht sogar noch den, als sie seinerzeit während eines Präsidentendinners zu Ehren ihres Vaters der First Lady auf die Schleppe getreten war. Oder damals, als sie die Gattin eines milliardenschweren potenziellen Kunden mit dem Namen

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