Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
zwischen seiner rauen Männlichkeit, dem Baby im Arm und der Brille machte ihn reizvoller denn je.
    Die Frauen des Dorfes mussten sich damit begnügen, Nana zu verwöhnen - deren Paranoia sich mit der Erkenntnis, dass ihr kostbarer Zögling endlich wieder in Sicherheit war, langsam gelegt hatte. Die Panik, in der sie während der letzten Wochen gelebt hatte, schwand erfreulich schnell, und nun saß sie zusammen mit Granny Cora über einer gemeinsamen Pfeife gemütlich im Schatten eines Weidenbaums.
    Tabitha wäre von der Freude der Menschen sicher angesteckt worden, hätte ihre eigene Stimmung nicht zwischen Glück und Verzweiflung hin- und hergeschwankt. Jedes Mal, wenn Colins und ihr Blick sich zufällig begegneten, fürchtete sie, dass sie durch die Erfindung der Elektrizität fünf Jahrhunderte vor Benjamin Franklin den Lauf der Geschichte nachhaltig verändern würden. Das wortlose Versprechen, das in seinen Augen lag, sandte zischelnde Hitzewellen durch ihren Körper, schmolz das Eis um ihr Herz und ließ es an provozierenden Körperstellen hinabrinnen.
    Aber wenn er sich mit neuen Befehlen für Ewan oder Chauncey von ihr abwandte, wallte Verzweiflung in ihr auf. Sie wusste, dass sie ihm die Wahrheit schuldete. Selbst wenn sie damit das zarte Band zerriss, das zwischen ihnen beiden entstanden war. Sie musste ihm sagen, dass sie nicht in seine Arme, nicht in sein Leben, ja nicht einmal in sein Jahrhundert gehörte. Aber sie wusste nicht genau, ob sie den Mut fände, ihn tatsächlich zu verlassen.

    Und was war mit ihren Eltern? Falls ihr Flugzeug erwiesenermaßen über dem Bermudadreieck abgestürzt war, dann brächte ihre Rückkehr ins einundzwanzigste Jahrhundert ihr Arian und Tristan auch nicht mehr wieder. Aber wenn sie noch am Leben waren, brächte ihr unerklärliches Verschwinden ihnen sicherlich die Herzen. Sie würden weiterleben und glauben, dass sie einem Entführer oder einem Serienmörder zum Opfer gefallen war. Nun umklammerte sie das Amulett und wünschte sich beinahe, Colin hätte das verflixte Ding in einem bodenlosen Brunnen verschwinden lassen.
    »Lady Tabby!« Ein blonder, babygesichtiger Schlingel mit unwiderstehlichen Grübchen in den Wangen streckte seinen Kopf durch eine der Schießscharten hoch oben in der Burgmauer. »Kommt schnell her, Lady Tabby! Wir müssen die arme Lucy retten.«
    »Ich komme, Thomas.« Tabitha eilte die Treppe hinauf und untermauerte ihren Ruf als kühne Heldin, indem sie Lucy vor einer wütenden Maus rettete, von der sie auf einem Fenstersims in die Enge getrieben worden war.
    Als sie, das Kätzchen auf dem Arm, wieder in den Hof kam, ließ Arjon sein Bündel versengter Wandbehänge fallen und stellte niesend fest: »Ihr hättet das kleine Monster als Köder für die Ratten dort sitzen lassen sollen.«
    »Schämen Sie sich, Sir Arjon«, antwortete sie und küsste Lucy auf den Kopf. »Es ist nicht sehr ritterlich, ein Fäulein zu beleidigen.«
    »Ich habe ihn schon mit Frauen ausgehen sehen, die längere Barthaare hatten«, rief Colin von einem Haufen geretteter Wolle herab.
    Arjon errötete und die Damenwelt, die den Ruß aus den mit Heide ausgestopften Matratzen klopfte, kicherte vergnügt.
Colin zwinkerte Tabitha über dem Rand ihrer Brille derart neckisch zu, dass ihr schwindelte.
    Geistesabwesend und ohne Arjons hochgezogene Brauen zu bemerken, setzte sie Lucy in einem leeren Kochtopf ab.
    »Jenny, pass gut auf«, rief Magwyn, als der Anblick ihrer Tochter, die wie ein geschmeidiges Äffchen über die Brustwehr kletterte, sie von der Reinigung eines silbernen Kerzenleuchters ablenkte.
    Jenny winkte ihr übermütig zu, ehe sie hinter den anderen Kindern herrannte, und Magwyn wandte sich kopfschüttelnd wieder ihrer Arbeit zu. »Ich sollte dem Frechdachs den Hintern versohlen - aber nach all der Zeit des Schweigens kann ich ihrem Lachen einfach nicht widerstehen. Es klingt wie Musik in meinen Ohren.«
    Mit Wärme dachte Tabitha daran, wie sie zum ersten Mal Colins Lachen vernommen hatte.
    Aber dann blickte Magwyn abermals zu der Brustwehr hinauf und wurde plötzlich kreidebleich. Tabitha folgte ihrem Blick, schirmte ihre Augen gegen die helle Morgensonne ab, und vor Schreck setzte ihr Herzschlag aus.
    Jenny lachte nicht mehr, sondern klammerte sich verzweifelt mit den Fingern an der Mauer fest, während ihre Beine etwa fünfundzwanzig Meter über der Erde baumelten.
    Magwyns Schrei war die Intonation jedes mütterlichen Alptraumes. Der eisige Urlaut ließ

Weitere Kostenlose Bücher