Wilder Als Ein Traum
sich heiße Eifersucht. Hätte Colin sofort getan, was sie von ihm verlangte - dann hätte nie Tabitha in seinem Arm gelegen, hätte niemals ihr Herz unruhig geklopft, wäre niemals ihre Haut unter seinen Liebkosungen erglüht. Dann hätte er niemals ihr Haar gestreichelt, ihr einen Kuss geraubt oder ihre Brüste berührt - als hätte er sein Leben lang nichts anderes gewollt. Während eines kurzen Augenblickes hatte Regan alles besessen, wonach sich Tabitha insgeheim sehnte.
Und jenes junge Ding war närrisch genug gewesen, allem ein Ende zu machen mit dem Strick!
Ein dunkleres Bild schob sich vor das erste - Colin und Regan stritten miteinander - schleuderten sich grausame, schlimme Worte an den Kopf, wie es nur sehr junge oder sehr verliebte Menschen tun konnten. Regan stapfte weinend durch die Hütte, rang die Hände und gab Colin plötzlich eine schallende Ohrfeige. Colin, wie gelähmt von dem Schlag seiner Geliebten, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und wortlos die Hütte verließ …
Tabitha sank auf die Knie und hielt sich in dem vergeblichen Versuch, das unwillkürlich folgende Bild zu unterdrücken, beide Augen zu.
Eine schlanke Gestalt stand in der Tür der Hütte. Die bleiche Wintersonne fiel nicht auf einen Mann, sondern auf einen
Jüngling an der Schwelle zum Erwachsensein, der eine Hand voll getrockneter Heide in der einen Hand und sein Herz in der anderen hielt. Ein Schatten verdunkelte sein Gesicht, als das Ding, das von dem Deckenbalken hing, langsam, wie von unsichtbarer Hand bewegt, hin und her schaukelte.
Taub für alles außer dem Knarren des Seiles betrat Colin den Raum. Seine goldenen Augen waren schreckgeweitet, und langsam, brutal und gnadenlos, wurde ihm der Tatbestand klar. Brüllend vor Schmerz eilte er zu Regan und umfasste ihre Taille, als wäre es nicht viel zu spät, um ihr neues Leben durch die zugeschnürte Kehle einzuhauchen.
Er umklammerte das Seil und riss es mit der Kraft der Verzweiflung in der Mitte durch. Regan fiel in seine Arme, nicht warm und geschmeidig wie zuvor, sondern erschreckend kalt und steif. Er zog sie an seine Brust, sank auf die Knie und heulte wie ein Wolf.
Als Tabithas Blick auf ihre Hände fiel, waren sie tränennass. Sie rappelte sich hoch und fuhr sich mit den Unterarmen über das Gesicht. Für sie kam es nicht in Frage, einen Mann mit Tränen und Vorwürfen zu manipulieren.
Energisch stolperte sie ans Fenster und zerrte an einem der verfaulten Holzläden. Colin war nirgendwo zu sehen, aber sie hörte das rhythmische Krachen seiner Axt.
Ein Sonnenstrahl fiel auf das Amulett. Tabitha strich mit ihren Fingerspitzen über den Smaragd. Jetzt verstand sie, weshalb Colin Ewan befohlen hatte, ihre Hände so locker zu fesseln und ihre Finger frei zu lassen. Wenn er zurückkäme und sie an den geheimnisvollen Ort, von dem sie auch gekommen war, zurückgekehrt wäre, müsste er nicht mehr das schreckliche Versprechen erfüllen, das er seinen Leuten und seinem Gott gegeben hatte. Dann wäre er abermals allein mit seinem Leid.
Unversehens wurde Tabitha von einer beinahe übernatürlichen Ruhe erfasst, sie rollte sich auf dem Fenstersims zusammen und beschloss zu tun, was Regan nicht gewagt hatte.
Da zu sein, wenn Colin käme.
Der Mond glitt über die Lichtung und trieb die Schatten der Dämmerung endgültig in den Wald. Es war der Augenblick des Nachtanbruchs - wenn der Vorhang zwischen den sichtbaren und unsichtbaren Welten zu einem dünnen Schleier wurde, der sich von einer sehr kühnen, sterblichen Hand zerreißen ließ. Es hätte Tabitha nicht mal überrascht, wäre plötzlich eine Gruppe Feen auf der Lichtung angetanzt.
Da stand ein solider, tief in den Boden gerammter, hoch in die Dunkelheit der Nacht ragender Pfahl, gehauen aus dem weichen Stamm einer Erle, damit er das zarte Fleisch des Opfers nicht verletzte. Das Mondlicht tauchte die sorgfältig aufgetürmten Holzscheite in helles Licht. Tabitha hegte keinen Zweifel, dass Colin das Holz auch wegen seiner speziellen Eigenschaften ausgewählt hatte. Sicher brannte es heiß und schnell, sodass innerhalb kürzester Zeit sämtliche Spuren der Frau, dazu verurteilt, in seiner höllischen Umarmung zu verschmoren, ausgelöscht wären.
Ihr Henker lag seit einer dunklen Ewigkeit auf seinen Knien. Doch statt dass er demütig das Haupt neigte, wie es sich gehört hätte, schien es, als föchte er einen tödlichen Kampf mit seinem Schöpfer aus. Er hatte die breiten Schultern gestrafft und blickte
Weitere Kostenlose Bücher