Wilder Als Ein Traum
leise zu.
Er sank auf eine Holztruhe und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. »Du hast heute Abend die kaum verhohlenen Drohungen von MacDuff gehört. Wenn ich mein Versprechen nicht einlöse, geht er eine Allianz mit Roger ein.« Sein Blick war leidenschaftlich und flehend zugleich. »Ich kann unmöglich gegen beide kämpfen. Das wäre das Verderben meiner Leute.«
Ihre vertrauten Gesichter tauchten vor Tabithas Augen auf. Magwyn mit ihrer herben Schönheit und ihrem strengen
Stolz, die tapfere Nana, Granny Cora, wie sie ernst an ihrer Pfeife sog, der unverbesserliche Chauncey, die süße Jenny, die gerade erst ihre Stimme und ihr Lächeln wiedergefunden hatte. Und die kleine Blythe, das unschuldige Baby, das Colin in seinen Armen gewiegt hatte, als wäre sie ein kostbarer Schatz.
Wie konnte sie von ihm verlangen, sich zwischen ihr und den Menschen, die zu schützen er geschworen hatte, zu entscheiden?
Plötzlich sank sie auf die Knie und umklammerte sein Bein. »Ich kann dir helfen, und wesentlich mehr für dich tun als der alte MacDuff. Brisbane könnte ich dir endgültig vom Hals schaffen.«
Er runzelte die Stirn. »Und wie?«
Sie befingerte ihr Amulett. »Damit.«
Tabitha bemerkte, wie seine Hand förmlich vor Verlangen zitterte, sich zu bekreuzigen. »Das kann ich nicht, Mädel. Unmöglich kann ich ein Werkzeug des Teufels benutzen, um mich meiner Feinde zu entledigen.«
Seine Worte trafen sie ins Herz. Sie schob sich und wich einen Schritt zurück. »Wenn das ein Werkzeug des Teufels ist, bin ich anscheinend seine Helferin.«
Er sah sie in hilflosem Verlangen an, ehe er heiser gestand: »Egal, was die Kirche sagt - von dir kann ich das eigentlich gar nicht glauben.«
Tabitha erinnerte sich an etwas, was ihre Mutter ihr seinerzeit vor Augen gehalten hatte, als sie wegen ihres ruinierten dreizehnten Geburtstags in Tränen ausgebrochen war; also fragte sie Colin: »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass dein Gott mir diese Kräfte verliehen haben könnte? Und wenn er es getan hätte - würde er dann nicht wollen, dass ich sie für gute Zwecke nutze? Und zum Beispiel
die Welt von einem Monster wie Brisbane zu befreien, ehe er noch mehr unschuldige Menschen tötet?«
Colin schüttelte den Kopf. »Ich kann unmöglich Böses mit Bösem bekämpfen«, antwortete er. »Wenn ich das täte, hätte ich trotz all meiner Bemühungen während des Kreuzzugs nichts erreicht.«
In dem Wissen, dass er wohl nicht umzustimmen war, senkte Tabitha niedergeschlagen den Kopf.
Er erhob sich von der Truhe und sagte voller Zuversicht: »Selbst wenn ich heirate, können wir weiter zusammen sein. Ich habe eine kleine Burg in den Bergen. Sie liegt ziemlich einsam, aber die Umgebung ist wirklich wunderschön. Ich käme zu dir, sooft ich es wagen könnte, und es würde dir nie an etwas fehlen. Meinen Namen kann ich dir nicht geben, Tabitha - aber mein Herz!«
Sie wandte sich entschieden von ihm ab, damit er die Tränen, die ihr lautlos über die Wangen rannen, nicht sah. Sie weinte sicher weniger niedlich als Lyssandra …
Colin streckte eine Hand aus und lud sie zu sich in den Kreis silbrigen Mondlichts. »Kommt mit mir ins Bett, Mylady. Bitte!«
Selbst verzweifelt und halb betrunken war er die Verführung in Person, sogar noch unwiderstehlicher, nun, da er ihr die Beulen in seiner Rüstung gezeigt hatte. Ein naives Mädchen verliebte sich vielleicht in ein schimmerndes Kettenhemd, aber eine Frau liebte den Mann, der sich hinter dem Schild verbarg. Wie leicht würde es sein, einfach mit ihm in das zerwühlte Bett zu steigen! Ihn all die verruchten, köstlichen Dinge tun zu lassen, nach denen es ihn zu verlangen schien. Ihn in ihren Armen zu halten, bis ihn das Licht des Tagesanbruchs zwänge, aus ihrem Zimmer zu schleichen wie ein gemeiner Dieb.
Sie hatte immer gewusst, dass sie aus verschiedenen Zeiten, verschiedenen Kulturen, verschiedenen Welten kamen - doch keinesfalls wäre ihr die Idee gekommen, dass dieser Graben unüberwindbar war.
Tabitha sah ihn durch einen Tränenschleier an. »Ich kann nicht deine Frau werden, Colin«, erklärte sie. »Und nur deine Geliebte will ich nicht sein.«
Seine Hände sanken leblos herab, und er wurde so weiß, als hätte sie ihm den Todesstoß verpasst.
Sie setzte ein, wenn auch wehmütiges, Lächeln auf. »Warst nicht du derjenige, der mir erklärt hat, höfische Liebe wäre die ›tragische Geschichte eines edlen Ritters, der die unerwiderte Liebe zur Dame seines Herzens
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