Wilder als Hass, süsser als Liebe
sie sofort nach ihrer Ankunft in der Stadt zu dem Händler zu führen. Nun, als sich die Nacht langsam senkte, setzte sich ROSS mit dem Mann zum Tee, um den Preis für die ausgesuchten Tiere auszuhandeln. Das Handeln war im Osten sowohl eine Kunst als auch Unterhaltung, und Mustafa Khan leitete den Prozeß vergnügt mit der Forderung einer unverschämten Summe ein.
ROSS hätte das Geforderte leicht aufbringen können, aber zuviel auszugeben konnte gefährliche Aufmerksamkeit erregen, ganz sicher würde es aber verraten, daß er kein Orientale war. Er konterte mit einem Fünftel der geforderten Summe und beobachtete dann mit tiefster Bewunderung, wie Mustafa Khan stöhnte, seine Augen sich kummervoll schlössen und sein Schnurrbart heruntersank.
Der turkmenische Händler wies daraufhin, daß der verehrte Kilburn die besten Tiere aus der Herde ausgesucht hatte. Er hängte eine innige Erklärung seiner Liebe zu diesen Tieren hintan, versicherte inbrünstig, daß sie ihm wie seine eigenen Kinder ans Herz gewachsen waren, und setzte hinzu, daß er sie nur verkaufte, um so edlen Reisenden wie Kilburn zu Diensten sein zu können.
Dann senkte er den Preis um etwa zehn Prozent.
Die Jahre der Erfahrung auf Basaren in Asien und Afrika hatten ROSS ein recht anständiges Geschick zum Feilschen verliehen, und so konterte er mit einer langatmigen Abhandlung über die Mängel der Tiere: die Schwäche ihrer Muskeln, die Jämmerlichkeit ihres Zustandes, die” Wahrscheinlichkeit, daß sie tot umfallen würden, bevor sie die Hälfte der Wüste durchquert hatten. Obwohl es1
vermutlich nur besser für ihn wäre, seine Kamele woanders zu erstehen, hatte ihn die Zuneigung und die Wertschätzung, die er beim Anblick Mustafa Khans sofort verspürt hatte, dazu verleitet, mehr zu bieten, als did armseligen Tiere wert waren.
Als ROSS eine neue Zahl nannte, griff sich der Händler ans Herz und murmelte, daß der verehrte Kilburn Mustafa Khans Kinder zu Waisen und Bettlern machen wollte, dann nannte er einen neuen Preis. Und so ging es über zwei Stunden und sechs winzige Tassen Tee höchst vergnüglich weiter, währenddessen die anderen Mitglieder aus ROSS’ Truppe das Geplänkel mit orientalischem Gleichmut verfolgten. Nur Juliet nicht, die finster und gefährlich wirkte und rastlos im Hof umherschritt.
Zweimal stand ROSS auf und tat, als wollte er gehen, wobei Saleh, Murad und Juliet immer direkt hinter ihm waren. Das zweite Mal hatten sie sogar schon die Straße erreicht, bevor Mustafa sie mit einem neuen Angebot überfiel.
Schließlich war der Handel perfekt: fünf Kamele, zwei Packsättel und verschiedene andere Ausrüstungsgegenstände, die sie brauchen würden. Nach der gestöhnten Verkündung, daß der Endpreis ihn ruiniert habe, wies der Händler ihnen fröhlich die Richtung zur Karawanserei, wo die restliche Karawane die Nacht verbrachte.
In ihrer Verkleidung als Jalal hatte Juliet die Aufgabe des Hauptkamelführers zugewiesen bekommen, also kümmerte sie sich darum, die zwei Tiere zu satteln und zu beladen, die ihre Vorräte tragen würden. Nachdem das erste Kamel gesattelt war, zog Juliet den Gurt zweimal fester und zwang es dann nieder, um es beladen zu können. Ein Kamel dazu zu bringen, sich niederzuknien, war jedesmal eine anstrengende Prozedur. Zuerst verhakte Juliet ihre Finger in das Haar an der Kamelkehle. Dann zog sie daran, mit der anderen Hand am Seil über den Nüstern und trat das Tier gleichzeitig vors Schienbein. Das Kamel blökte protestierend, ging aber schließlich in die Knie. ROSS beobachtete den Vorgang amüsiert. Bei einem Pferd hätte man von Mißhandlung gesprochen, bei einem Kamel war der grobe Umgang nötig, nur um seine Aufmerksamkeit zu erringen.
Als ROSS eine Ladung Gepäck zu ihr herüberbrachte, fragte er aus dem Mundwinkel: »Wie habe ich mich beim Feilschen gemacht?«
»Du hast ein paar Dinar mehr bezahlt, als ich es hätte«, antwortete Juliet, während sie zurücksprang, weil das Kamel den Kopf hob und eine beeindruckende Reihe Schneidezähne bleckte, »aber es war eine anständige Leistung bei einem alten Banditen wie Mustafa Khan.«
ROSS grinste, während er sich auf das zweite Packtier zubewegte, um es zu satteln und in die Knie zu zwingen. Er und Juliet mußten vorsichtiger sein: keiner von beiden schien der Versuchung widerstehen zu können, Gedanken und irrelevante Bemerkungen auszutauschen. Es war unwahrscheinlich, daß jemand sie verstand, da sie Tamahak gemischt mit englischen
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