Wilder Engel (German Edition)
Schwarzarbeit ältere deutsche und englische Feriengäste behandelte, die den einheimischen spanischenÄrzten nicht über den Weg trauten. Und die genügend Kleingeld besaßen, um sich die privat zu bezahlenden homöopathischen Sitzungen leisten zu können.
Die Pension Julia lag nicht weit entfernt von Elkes Wohnung, zu Fuß etwa ein Viertelstündchen. Immer am Strand entlang. Sowohl Mutter als auch Tochter Engel war diese Lösung durchaus angenehm gewesen, und Angie beschloss kurzerhand, ihre eigene Quartiersuche hiermit als abgeschlossen zu betrachten.
Julia Gonzales hatte auch tatsächlich ein freies Apartment zu vergeben und erinnerte sich sogar.
In gebrochenem Deutsch begrüßte sie Angie herzlich, die im Übrigen – auch dies ein Privileg des Engel-Daseins – fließend Spanisch hätte sprechen können. (Neben allen anderen existierenden Sprachen.) Es aber an dieser Stelle lieber unterließ, weil die echte Angela Engel keineswegs fit gewesen war auf dem Gebiet.
»Mama sein gesund?«, erkundigte sich Julia Gonzales.
»Ja, oh ja«, versicherte Angie.
»Gute Mensch Mama sein. Viel gutes Herz haben«, versicherte Julia daraufhin.
»Ja, oh ja«, bestätigte Angie, die Ingeborg ja nicht persönlich kannte und darum nicht viel mehr zur Unterhaltung beisteuern konnte, selbst wenn sie das gewollt hätte.
»Mama kommen auch nach Teneriffe?«, hakte Julia nach und drückte gleichzeitig Angie den Apartmentschlüssel Numero 6 in die Hand. »Ist gleiches Numero wie Mama damals. Du finden, ja?«
»Nein«, sagte Angie. »Mama kommt nicht, dieses Mal.«
»Ah, schade. Apartment fertig, sauber. Du finden!«,sagte Julia bestimmt. »Ich gehen zu Maria. Hat kleinen Joel jetzt. Seit Dezember. Schade Mama nix kommen. Ich wirklich sehr stolz, wollte zeigen Joel.«
Angie kapierte. Der kleine Joel musste Julias Enkelkind sein, Maria also vermutlich die Tochter. Weiter stand zu vermuten, dass Mama Ingeborg sich vor Jahren mit Mama Julia in gebrochenem Deutsch über ihre Töchter ausgetauscht haben musste.
Klar war Julia Gonzales jetzt froh und stolz, weil Maria endlich vernünftig geworden und sich zum Nestbau niedergelassen hatte.
Ingeborg hingegen wäre an dieser Stelle nun wohl etwas weniger froh ums Herz gewesen. Sie hätte zugeben müssen, dass der eigene Nachwuchs immer noch in der Weltgeschichte herumdüste, sich als Künstlerin mit abgebrochenem Chemiestudium versuchte, Männern nachstellte und sich ansonsten nicht die Bohne um die Erwartungen der eigenen Mutter kümmerte. Und schon gar nicht zur Sicherung von deren Altersrente beitrug, indem sie wenigstens wie Maria einen neuen kleinen zukünftigen Steuer und Sozialabgaben zahlenden Erdenbürger produzierte.
»Ah, schade, wirklich schade. Mama hätte Joel sicher sehr gerne gesehen«, bestätigte Angie, ohne rot zu werden. »Grüße Maria schön von mir, Julia, bitte. Auch im Namen von Mama. Ich gehe jetzt hoch und packe meine Sachen aus.«
»Apartment nix hoch! Dort hinten, um Ecke!«, sagte Julia und beäugte Angie, als ob sie an deren Verstand zweifelte. »Du vergessen? Mama wollte Terrasse, unbedingt.«
»Aber ja, klar! Ich reise so viel, Julia. Da vergisst manschon mal was«, sagte Angie, griff hastig nach ihrem schicken Hermes-Köfferchen und machte, dass sie aus der Reichweite ihrer Gastgeberin kam. Wer wusste schon, was der guten Frau noch alles einfiel, und so fit war Angie auch noch nicht, wenn es um Angela Engels Vorleben ging. Ihre Reisevorbereitung war eher lax gewesen, und das hatte sie eben jetzt davon. Allerdings war sie gut im Improvisieren, immer schon gewesen, darauf verließ sie sich.
»Du wollen Frühstück am Morgen. Wie Mama?«, rief Julia ihr hinterher.
»Nein, danke. Ich schlafe lieber länger. Die Inselnächte sind bekanntlich heiß und lang.«
Letztere Bemerkung hättest du dir ruhig sparen können, dachte Angie. So viel zum Thema »Improvisation«. Das hier erinnert eher an »Provokation«. Und das weißt du auch, Angie.
»Jesus Maria!«, murmelte Julia prompt und schüttelte den Kopf. »Manche Leute werden wirklich nie erwachsen.«
Aber das hörte und sah Angie schon nicht mehr.
Allerdings konnte sie fühlen, was Julia in diesem Moment dachte. Jesus Maria! Was bin ich froh, dass meine Maria endlich erwachsen und vernünftig geworden ist, die Diskos und das Herumgemache mit ausländischen männlichen Feriengästen aufgegeben und dafür Klein Joel gemacht hat. Arme Mama Ingeborg!
Nachdem Angie Apartment Numero 6 glücklich
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